Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommerflimmern (German Edition)

Sommerflimmern (German Edition)

Titel: Sommerflimmern (German Edition)
Autoren: Mina Krämer , Sophie Berger
Vom Netzwerk:
kam auf mich zu. »Willst du mich aufhalten, Prinzessin?«
    Auf mein gleichgültiges Verhalten fiel er nie herein. Nachdem ich meine Mutter bewusstlos am Boden liegen sah, hätte ich ihn am liebsten umgebracht. Ich fürchtete mich vor dem bevorstehenden Gewaltausbruch und dem Moment, wenn ich Anna berühren würde. Ohne den Blick von ihm zu lösen, bewegte ich mich seitwärts, um das abgenutzte Sofa und den verschrammten Couchtisch zwischen uns zu bekommen. Anna stöhnte auf und Dean warf ihr einen verächtlichen Blick zu.
    »Hältst du dich für einen echten Kerl, weil du Frauen zusammenschlägst?«, spottete ich, um ihn abzulenken.
    Bei seinem Lächeln lief mir ein Schauer über den Rücken. Es war ein warnendes Lächeln – ein Lächeln, nach dem sich das Wetter vorhersagen ließ, denn auf seinen Empfänger ging garantiert die Hölle nieder. »Du hältst dich für was Besseres, meine Kleine, aber du wirst mich gefälligst respektieren!« Er riss den Gürtel aus den Schlaufen seiner schmutzigen Jeans. Als er sich das schwarze Leder um die Fäuste wickelte, glitzerte die Schnalle im Licht – eine blanke, glänzende Waffe.
    Hass ergriff mich und lähmende Angst. Ich mache ihn besser wütend, entschied ich. Dann war das Ganze vielleicht schneller vorüber. Während ich mich auf Anna zubewegte, grinste ich voller Hohn.
    »Dich respektieren? Du bist doch nichts weiter als ein mieser Feigling! Du willst mich schlagen, oder, Dean? Nur zu!«
    Ich hatte mich noch nie über ihn lustig gemacht, und nur noch einen knappen Meter von Anna entfernt, bekam ich kalte Füße. Blöd. Zu blöd. Er wird uns beide umbringen. Aber zumindest hätte das makabre Wartespiel dann ein Ende. Inzwischen war er mir so nahe, dass er mich berühren konnte. »Wag es ja nicht«, zischte ich.
    Er holte aus, und ich stellte mich vor meine Mutter. Er versetzte mir einen Schlag in die Magengrube und ich stolperte über sie. Mit einem dumpfen Geräusch krachte ich mit dem Kopf gegen die Wand. Dean packte mich am Hals und hielt mich so auf den Füßen. Ich atmete die schale Mischung aus Schweiß- und Tabakgeruch ein. Er schnitt mir die Luft ab, drückte lächelnd immer weiter zu, bis mir vor Schmerz die Knie nachgaben.
    Anna bewegte sich plötzlich und kreischte: »Nein!« Dann sprang sie auf und grub Dean die roten Fingernägel in denUnterarm. In meinem verzweifelten Kampf um Luft packte ich mit einer Hand Deans Arm und umklammerte mit der anderen meine Mutter.
    Ich kniff die Augen zusammen. Ich sterbe, dachte ich. Meine Kräfte verließen mich. Die mentale Mauer, die meine Fähigkeiten in Schranken hielt, stürzte ein, und ohne ihren Schutz donnerten Annas Schmerzen durch mich hindurch und erlaubten mir Einblicke in ihren Körper. Ich bemerkte zwei gebrochene Rippen, eine Gehirnerschütterung, ein blutendes Auge und Prellungen am ganzen Körper. Wie bei einem großartigen Feuerwerk knallten Farbtupfer an meine geschlossenen Augenlider. Meine Lungen zogen sich zusammen und ich machte mir Annas Verletzungen zu eigen, heilte sie und übertrug ihre Schmerzen auf mich.
    Annas Angriff hatte Dean aus dem Gleichgewicht gebracht. Er riss sie an den Haaren, damit sie von ihm abließ, und sein Griff um meinen Hals lockerte sich. Sie schluchzte, und der Sturm in mir verdoppelte und verdreifachte sich. Ich hatte meine Mutter nicht beschützen können. Wutentbrannt stellte ich mir vor, wie Dean von meinen Schmerzen niedergestreckt wurde, wie von einem feurigen Blitzschlag.
    Grellrotes Licht sprang knisternd von meiner Hand auf seinen Arm über. Sein Gesicht erstarrte in Entsetzen, dann zuckte er zusammen und wand sich. Ein lautes Krachen zerriss die Luft – entweder brachen seine Rippen oder meine – und ich verlor die Besinnung.

    Ich wachte davon auf, dass mir jemand sanft das Haar aus dem Gesicht strich und mir der Duft von Moschus in die Nase stieg. Anna. Angst drang durch die dunstigen Kanten meinesSchlafs und ich setzte mich zu hastig auf. Ohne mich um meine schmerzenden Bauchmuskeln zu kümmern, sah ich mich nach Dean um, doch meine Mutter war allein da. Schwaches Sonnenlicht schien durch das einzige Fenster. Die kratzigen Bettlaken und der Geruch nach Desinfektionsmitteln schrien nach Krankenhaus.
    Ich war also doch nicht gestorben.
    Meine Kehle brannte und ich kämpfte gegen meine Tränen an. Anna beobachtete mich, und ich machte mich an eine Bestandsaufnahme ihrer Verletzungen. Als mich Dean im Würgegriff hatte, war nicht genügend Zeit geblieben, um
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher