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Sommerflimmern (German Edition)

Sommerflimmern (German Edition)

Titel: Sommerflimmern (German Edition)
Autoren: Mina Krämer , Sophie Berger
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Grund eines Gebirgsbachs liegen und an einem klaren Morgen durchs Wasser schimmern. Kühle Kiesel. Das absolute Gegenteil von Rehaugen.
    »Meine Mutter hat ihn extra hergeschickt?«
    Mit dem Zeigefinger tippt die Marie gegen ihre Stirn. So fest, dass ich das Pochen hören kann.
    »Und du weißt nichts Besseres, als ihn …«
    Wie so oft lässt sie den Satz unvollendet. Die Marie liebt unvollendete Sätze. Man kann sich ja denken, wie’s weitergeht, wozu Zeit für Unnötiges verschwenden? Zeit ist Geld und Geld ist die Voraussetzung für ein glückliches Leben, denkt die Marie, und deshalb geht sie jetzt auch nicht mehr mit mir, sondern mit dem Sohn vom Zenzinger, dem Mike. Der ist zwar kein so guter Gesprächspartner wie ich, mit dem man bis spät in die Nacht diskutieren kann, sagt sie, aber tüchtig ist er und wird bald die Tischlerei von seinem Vater übernehmen, einen der größten Betriebe in ganz Tirol.
    »Ja, ich hab ihn abblitzen lassen. Na und?«
    Sie springt auf. »Ich versteh dich nicht! Der Koslowski ist doch das Beste, was uns Flötzern passieren kann. Der tut was, der kurbelt den Fremdenverkehr …«
    »Einen Schmarrn kurbelt der an, nur seinen eigenen Umsatz.« Und den vom Zenzinger und von meinem Vater, die mit ihm gemeinsame Sache machen und um keinen Deut besser sind.
    »Dein Vater wäre stinksauer.«
    »Ganz bestimmt.« Aber wir sprechen ja schon seit Jahren nicht mehr miteinander, also kommt’s nicht drauf an.
    »Und wenn deine Oma wüsste, wie du mit dem Koslowski …«
    »Die Oma ist auf meiner Seite. Der Koslowski ist schuld, dass die Alm der Skiarena weichen muss. Und wenn das Vieh im Sommer nicht mehr auf die Alm kann, muss die Oma es verkaufen, das weißt du so gut wie ich.«
    »Na und? Bestimmt bekommt sie eine großzügige Abfindung und davon kann sie sich einen schönen Lebensabend …«
    »Sie ist noch viel zu aktiv, um sich einen schönen Lebensabend zu machen.«
    »Du wirst den Hof ja doch nicht übernehmen. Und auch sonst niemand aus eurer Verwandtschaft. Da ist es doch egal, ob sie ein paar Jahre früher oder später …«
    Die Marie schüttelt den Kopf. Sie starrt in ihren Kaffeebecher, als ob sie etwas suchen würde. Das Wort »verkauft« vielleicht. Dann trinkt sie aus, geht zu Omas altem Ford Transit und steigt ein.
    »Den Speck hast du auch vergessen!«, rufe ich ihr nach, aber sie hat schon den Dieselmotor aufheulen lassen und hört es nicht mehr.
    Keine Stunde später prescht zum dritten Mal an diesem Tag ein Auto die Forststraße herauf. Wieder ist es der Transit, doch diesmal steigt meine Oma aus. Steigt aus und macht ein Gesicht wie damals, als ich die selbst gebackenen Kekse im Keller entdeckt und bis auf ein paar Brösel ratzeputz aufgegessen hab, und sie am Weihnachtsabend mit leeren Händen dagestanden und sich vor ihren Gästen blamiert hat. Acht oder neun muss ich da gewesen sein.
    Wortlos kommt sie näher. Ganz nah. Legt den Kopf in den Nacken und schaut zu mir auf, mit diesem Blick, der mir weismachen möchte, dass ich immer noch ein kleiner Bub bin. Dabei geht mir die Oma bis zur Brust.
    »Was fällt dir eigentlich ein?«
    Wie damals als Kind tu ich so, als wüsste ich nicht, was sie meint. Wie damals nützt es nichts.
    »Wenn jemand etwas braucht, egal ob Milch oder Butter oder Hilfe bei einer Reifenpanne oder eine Auskunft, dann hilfst du. Ob er Huber, Meier oder Koslowski heißt. Ob er dein Freund ist oderdein Ruin.« Ihr Gesicht ist blass vor Zorn, erschreckend blass.
    »Jetzt reg dich doch nicht auf, Oma. Wegen ein bissl Sahne.«
    »Es geht ums Prinzip.« Sie wuselt in die Hütte, knallt ihren Korb auf den Tisch und holt ein großes Stück Speck heraus. »So ein Verhalten ist kindisch und unter unserer Würde, Christian. Es ist nicht unser Stil.«
    Zur Beruhigung schenke ich ihr einen Enzianschnaps ein. Ihren Fahrkünsten kann’s nicht schaden, im Gegenteil. Mit zitternden Fingern führt sie das Glas an die Lippen, kippt es und wirft dabei leicht den Kopf zurück, danach seufzt sie und endlich kommt wieder ein bissl Farbe in ihre Wangen.
    »Wir kämpfen gegen den Koslowski, wir versuchen, seine Pläne zu vereiteln. Das ja. Aber wir sind freundlich und fair. Und wenn er oder einer seiner Angehörigen Sahne verlangt, dann verkaufen wir sie ihm.«
    »Ja, ja, Oma. Beim nächsten Mal …«
    »Nichts da. Du wirst hinuntergehen und dich entschuldigen. Und Sahne mitbringen, hörst du?«
    »Keine Zeit. Ich muss die Kühe melken.«
    »Das mach ich einstweilen.
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