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Sommerflimmern (German Edition)

Sommerflimmern (German Edition)

Titel: Sommerflimmern (German Edition)
Autoren: Mina Krämer , Sophie Berger
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Einladung anzunehmen?
    Das hättest du wohl gern, Paula.
    »Wo feiert ihr denn?« Die Frage klingt lauernd.
    Ein Gefühl sagt mir, dass ich auf der Hut sein sollte, aber ich wüsste nicht wovor und plappere los, als ginge es darum, einen Redewettbewerb zu gewinnen. »Im Ferienhaus, das meine Eltern gebaut haben. Es ist erst kürzlich fertig geworden. Mein Dad stammt übrigens aus Flötz, Toni Koslowskiheißt er, vielleicht sagt dir der Name was? Wir bleiben nur übers Wochenende, dann muss ich wieder nach München zurück. Komm doch auch zu unserer Party! Wird bestimmt ganz nett, ich würde mich freuen …« Ich habe immer schneller gesprochen, bis mir die Puste ausgegangen ist.
    Chris’ Blick ist starr geworden. Versteinert. Irgendetwas muss mir entgangen sein, etwas, das die Stimmung kaputt gemacht hat. Ich überlege krampfhaft, woran es liegen könnte. Habe ich ein unschönes Wort verwendet? »München« vielleicht? »Ferienhaus«? Oder »Party«? Ich komme nicht drauf. Nach einer halben Ewigkeit, in der ich fast ersticke, weil ich offenbar vergessen habe, wie man Luft holt, antwortet er.
    »Keine Zeit.« Damit dreht er sich um, haut der Kuh auf die Kruppe, dass sie in wildem Galopp bergauf prescht, und geht mit großen Schritten hinterher, ohne sich nochmals nach mir umzudrehen. Ohne Gruß. Ohne irgendwas.

S chauen kann die! Ihre Augen sind so dunkel wie der Flötzer Moorsee an der tiefsten Stelle. Und je länger ich sie anstarre, umso mehr zieht’s mir die Füße weg und saugt mich rein, als wär’s ein richtiges Moor, aus dem man nicht mehr rauskommt. Nicht aus eigener Kraft.
    Neugierig ist sie auch. Fragt Löcher in meinen Bauch und dabei hält sie den Kopf schief und drückt ihr Kinn nach vorn wie eine, die’s unbedingt wissen will und die keine Ruh’ gibt, bis sie nicht alle Antworten bekommen hat. Eigentlich ist sie nicht mein Typ. Klein und knochig. Wie eine magere Geiß. Und kurze Haare wie ein Bursch. Nicht mein Typ, aber hübsch. Und diese Augen! Dunkel wie Moorwasser und groß und glänzend wie Rehaugen. Wie Rehaugen? Hallo? Ich glaub, ich bin im falschen Film.
    Bambi allein zu Haus  …
    Seit wann schmeißt mein Gehirn mit soschwülstigen Vergleichen herum, nur weil eine hübsche Augen hat und mich komisch anschaut. Und wieso hab ich jetzt die Romanze in F-Dur von Beethoven im Ohr? Diesen Schmachtfetzen! Der so verboten schön klingt, dass es wehtut, und so melancholisch, als hätte Beethoven beim Komponieren geweint. Und der ein fürchterlicher Ohrwurm ist, viel zu oft gehört in viel zu kitschigen Interpretationen.
    Paula heißt sie also. Jetzt ist sie rot geworden. Weil ich sie auch die ganze Zeit anstarre wie ein Depp. Die Marie wär nicht rot geworden deshalb. Die hätte höchstens »Schau nicht so blöd!« gezischt. Oder: »Mach den Mund zu, es zieht!« Eine, die noch rot werden kann, ist eine Seltenheit, auch wenn mir nicht klar ist, was an ihren Zeichnungen so peinlich sein soll.
    Aber versteh einer die Frauen – oder liegt’s dran, dass sie eine Deutsche ist? Eine Städterin? Da will man nett sein und dann ist ihr der eigene Kopf im Weg und die Tagesplanung ist in Gefahr! Das geht natürlich nicht; das kann so eine nicht zulassen, dass sie wegen ein bissl Graukäs aus dem Tritt kommt. Aber interessant: Die Musik, die sich in meinem Kopf eingenistet hat, seit ich zu lang in die Rehaugen geschaut hab, die spielt jetzt langsamer, grad so, als würden die Batterien nachlassen, und die Streicher klingen auf einmal verstimmt. Und dann, dann nimmt sie den Namen von diesemUnmenschen in den Mund, sagt, dass sie seine Tochter ist, und sofort bricht die Melodie ab. Alles stumm da oben. Hat sie wirklich Koslowski gesagt? Aus München? Muss dieser geldgierige Landschaftsverschandler so eine hübsche Tochter haben? Da hilft nur eins: umdrehen und gehen. Nicht mehr hinschauen, schon gar nicht in die Rehaugen.
    Aber so ein verwöhntes Architektentöchterl rechnet nicht damit, dass sie einfach stehen gelassen wird, noch dazu von einem dahergelaufenen Kuhhüter. Und entweder sie kapiert die simpelsten Signale nicht oder sie ignoriert sie einfach. Ignoriert sie und ruft mir hinterher.
    »Chris! Warte doch! Kann ich bei dir Sahne kaufen?«
    Typisch. Als ob eine Alm ein Supermarkt wär. Wenn da jeder daherkäme! »Nein!« Obwohl ich schon zu weit weg bin, hör ich fast, wie sie den Mund öffnet und nach Luft schnappt. Und obwohl ich ihr den Rücken zudrehe, seh ich vor mir, wie sie ihr spitzes Kinn
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