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Sommer

Sommer

Titel: Sommer
Autoren: Hermann Hesse
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die paar warmen Sommertage, die paar warmen Sommernächte wenigstens wollen wir austrinken, wollen wir genießen. Schon blühen die Rosen zum zweitenmal und die Glyzinien, schon nehmen die Tage wieder ab, Vergänglichkeit seufzt hinter jedem Baum und Blatt.
    Nachtwind rauscht in den Wipfeln vor meinem Fenster auf, Mondlicht fällt herein auf den roten Steinboden. Freunde in der Heimat, was macht Ihr? Habt Ihr Blumen in den Händen oder Handgranaten? Lebt Ihr noch? Schreibt Ihr liebe Briefe an mich oder wieder Schmähartikel? Liebe Freunde, tut, was Ihr wollt, aber denkt je und je einen Augenblick daran, wie kurz das Leben ist!
    (1919)

/ IM GRASE LIEGEND /
    Ist dies nun alles, Blumengaukelspiel
Und Farbenflaum der lichten Sommerwiese,
Zartblau gespannter Himmel, Bienensang,
Ist dies nun alles eines Gottes
Stöhnender Traum,
Schrei unbewußter Kräfte nach Erlösung?
Des Berges ferne Linie,
Die schön und kühn im Blauen ruht,
Ist denn auch sie nur Krampf,
Nur wilde Spannung gärender Natur,
Nur Weh, nur Qual, nur sinnlos tastende,
Nie rastende, nie selige Bewegung?
Ach nein! Verlaß mich du, unholder Traum
Vom Leid der Welt!
Dich wiegt ein Mückentanz im Abendglast,
Dich wiegt ein Vogelruf,
Ein Windhauch auf, der mir die Stirn
Mit Schmeicheln kühlt.
Verlaß mich du, uraltes Menschenweh!
Mag alles Qual,
Mag alles Leid und Schatten sein –
Doch diese eine süße Sonnenstunde nicht,
Und nicht der Duft vom roten Klee,
Und nicht das tiefe, zarte Wohlgefühl
In meiner Seele.
/ LAMPIONS IN DER SOMMERNACHT /
    Warm in dunkler Gartenkühle
Schweben bunte Ampelreihn,
Senden aus dem Laubgewühle
Zart geheimnisvollen Schein.
    Eine lächelt hell zitronen,
Rot und weiße lachen feist,
Eine blaue scheint zu wohnen
Im Geäst wie Mond und Geist.
    Eine plötzlich steht in Flammen,
Zuckt empor, ist rasch verloht …
Schwestern schauern still zusammen,
Lächeln, warten auf den Tod:
Mondblau, Weingelb, Sammetrot.
/ JULIKINDER /
    Wir Kinder im Juli geboren
Lieben den Duft des weißen Jasmin,
Wir wandern an blühenden Gärten hin
Still und in schwere Träume verloren.
    Unser Bruder ist der scharlachene Mohn,
Der brennt in flackernden roten Schauern
Im Ährenfeld und auf den heißen Mauern,
Dann treibt seine Blätter der Wind davon.
    Wie eine Julinacht will unser Leben
Traumbeladen seinen Reigen vollenden,
Träumen und heißen Erntefesten ergeben,
Kränze von Ähren und rotem Mohn in den Händen.
/ SOMMERABEND /
    Fingerlein schreibt ein Gedicht,
Magnolie bleich schaut zum Fenster herein,
Im Glas funkelt dunkel der Abendwein,
Spiegelt der Geliebten Haar und Gesicht.
    Sommernacht hat ihre dünnen Sterne verstreut,
Jugendgedächtnis duftet im mondhellen Laub …
Bald, mein Fingerlein, sind wir Moder und Staub,
Übermorgen – morgen – vielleicht noch heut.
/ AUGENBLICK VOR DEM GEWITTER /
    Noch einmal im verfinsterten Gewühle
Der Wetterwolken zuckt die Sonne vor,
Erhitzt den Dunst zu schauerlicher Schwüle
Und lächelt irr im bangen Gartenflor.
    Vor tiefem Schwarzblau flammt das rote Haus
Grell wie Zinnober, und die Fenster funkeln …
Der nächste Augenblick löscht alles aus,
Das Licht verwelkt, ein Sausen singt im Dunkeln.
    Jetzt jagen weiße Schauer aus der Nacht,
Mit schwerer Schleppe peitscht den Wald der Regen,
Blitz blendet, Hagel trommelt, höhnend kracht
Der Donner auf mit knatternd hellen Schlägen.
// TESSINER SOMMERABEND
    Nach langer Glut und Dürre ist ein Regen gekommen, Donner hat den ganzen Nachmittag gekracht, ein paar Hagelkörner haben geknallt, nach dem ersten erstickend schwülen Dampf hat sanfte Kühle sich verbreitet, weithin riecht es nach Erde, Steinen und bitterem Laub, es ist Abend geworden.
    Im Wald, an der Schattenseite des Berges, liegen die Grotti, die Weinkeller des Dorfes, ein kleines, zwerghaft phantastisches Märchendorf im Walde, lauter Stirnseiten kleiner steinerner Giebelhäuser, die keine Rückseite haben, denn Dach und Haus verliert sich im Boden, und tief in den Berg hinein sind die Felsenkeller gebohrt. Da liegt der Wein in grauen Fässern, Wein vom vorigen Herbst und auch noch Wein vom vorvorigen, älteren gibt es nicht. Es ist ein sanfter, sehr leichter, traubiger Wein, von roter Farbe, er schmeckt kühl und sauer nach Fruchtsaft und dicken Traubenschalen.
    Wir sitzen bei einem Grotto am steilen Waldhang auf kleiner Terrasse, die man auf ungefügen Stufen erklimmt und die Raum für einen oder zwei Tische hat. Ungeheuer steigen die Stämme der Bäume empor, alte riesige Bäume, Kastanie, Platane,
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