Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche

Titel: Somers, Jeff - Avery Cates 02 - Die digitale Seuche
Autoren: Jeff Somers
Vom Netzwerk:
Ich verlagerte mein Gewicht und griff in meine Manteltasche, zog meine Waffe heraus und warf sie mit so viel Schwung auf den Boden, dass es lautstark krachte. Ich war bereit. Wenn die jetzt wirklich auf der Suche nach mir waren, dann wollte ich – so hatte ich beschlossen – ordentlich betrunken sein. Sechsunddreißig war alt genug. Nein: zu alt. Ich setzte die Flasche wieder an und nahm einen tiefen Zug. Es brannte höllisch; ich spürte, wie die Flüssigkeit sich ihren Weg in meinen Magen bahnte. Doch dort verwandelte sich die schmerzhafte Messerklinge in einen warmen Flammenball. Einige Momente lang saß ich in erstaunlicher Ruhe und völligem inneren Frieden da, nippte an der Flasche und dachte an gar nichts. Jetzt gab es nur noch mich, den Fusel und meine schmerzenden Knochen.
    Als sie kamen, hatte das Ganze beinahe schon etwas Komisches: Sturmtruppen krachten herein, überall Schreie und Rauch, eine ganze gottverdammte Armee stürmte diese tote Hulk, die früher einmal ›Pick’s‹ gewesen war. Schließlich wimmelte es nur so vor Cops. Natürlich entdeckten sie mich sofort, traten meine Waffe beiseite, schleuderten die Flasche auf den Boden – sie zerbarst, Fusel spritzte in alle Richtungen – und rissen mich auf die Beine.
    »Sülle vostre ginocchia!«, brüllte einer von ihnen. Ich musste lachen. Die Fuzzies beorderten Cops aus allen Teilen des Systems hierher, um in New York wieder auf eine anständige Truppenstärke zu kommen.
    »Scheiße«, murmelte der Cop mit unverkennbarem Akzent. Hände packten mich, man wirbelte mich herum und stieß mich auf die Knie. Weißglühender Schmerz durchzuckte mein verletztes Bein. Ein Plastikstreifen wurde um meine Handgelenke geschlungen und dann so dicht zusammengezogen, dass es richtig schmerzte. Während meine Hände allmählich taub wurden, wurde ich nach allen Regeln der Kunst gefilzt, aber ich hatte außer der Waffe nichts bei mir, und so fanden sie eben auch nichts. Die Cops drückten meinen Kopf so weit nach unten, dass ich nichts anderes als den dreckigen Fußboden sehen konnte, und dann presste mir jemand den Laufeiner Pistole an den Hinterkopf. Das Gefühl kannte ich schon.
    »Schluss jetzt!«, brüllte jemand, und sofort herrschte im ganzen Raum Totenstille. Gleichzeitig verschwand auch die Pistole.
    »Dreht ihn herum! Wir brauchen einen OG-Scan.«
    Unsanft wurde ich auf die Beine gerissen und herumgewirbelt. Zwei Sturmtruppler hielten mich fest. Zwei Officers hatten die Bar betreten. Der eine war ein hochgewachsener, magerer Mann in einem schwarzen, aber so penibel sauberen Ledermantel, das es schon lächerlich wirkte. Das Leder glänzte im matten Schein des Lichts. Der Mann war sonnengebräunt und glatt rasiert; sein perfekt frisiertes dunkles Haar trug er zurückgekämmt. Der andere war ziemlich klein und etwa so alt wie ich, vielleicht sogar noch etwas älter. Er wirkte nicht, als sei er sonderlich gut in Form, sein langer Mantel vermochte den recht beachtlichen Bauch nicht ganz zu kaschieren, und sein Haar bildete nur noch einen schmalen Ring um den Schädel. Er hatte eine lange hässliche Nase, die man ihm offensichtlich schon mehrmals gebrochen hatte. In der Hand hielt er ein digitales Klemmbrett, das sein dickliches Gesicht in ein unheimliches grünes Licht tauchte.
    Mit geschmeidigen Bewegungen kam der Große auf mich zu. Es machte den Eindruck, als hätte er die Bewegungen gerade noch am Vortag einstudiert. Dann hielt er mir einen kleinen schwarzen Kasten vor die Nase. Ein gleißend roter Lichtblitz blendete mich, und schon nahm der Officer das Kästchen wieder weg und blickte angestrengt auf einen winzigen Vid-Bildschirm.
    »Gates, Avery«, verkündete er. Dann blickte er auf und grinste mich an. »Na, da soll mich doch … Mr Cates, es ist mir eine gottverdammte Ehre, Sie hinzurichten!«
    Ich erwiderte das Grinsen. »Sie richten mich nicht hin. Ich begehe hier bloß ›Selbstmord mit polizeilicher Unterstützung^«
    Er blinzelte, zog eine wirklich beeindruckende, verchromte Automatik und spannte mit fröhlicher Miene den Hahn. »Na, da bin ich Ihnen doch gern …«
    »Moment«, sagte der kahle Kerl leise, und der Grinser hielt inne und blickte zu seinem Kollegen hinüber. Kahlkopf schaute zu mir auf; seine Miene war völlig ausdruckslos, seine Augen wie tot. Das ist der Kerl, um den man sich Sorgen machen muss, begriff ich. Der Grinser machte sich mehr Gedanken um den Schnitt seines Mantels als um irgendetwas anderes. Kahlkopf hingegen würde
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher