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Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Titel: Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?
Autoren: Hellmuth Karasek
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Niemand außer meiner Alleinsein-Routine muss dabei zu mir »Is was« oder »Trink was« sagen.
    Das nächste Beispiel spielt an der Bar. Der Barkeeper ist ein Tröster der einsamen Geschäftsreisenden, der Gruppen, in der die Unermüdlichen und Schlaflosen, die scheinbar noch Aufgekratzten, die aus Angst vor dem Zubettgehen noch einen nehmen. Einen Absacker. Barkeeper sind oft die letzten Gesprächspartner, die Beichtväter der Moderne, man kommt sich mit ihnen über Gespräche über das Wetter, die Politik, die Lage näher, probiert einen neuen Drink, und schon geht das Beichten los. Hemingway hat sie geliebt, in Paris, in Madrid, in Venedig, auf Kuba. Es gibt berühmte Bars, und in Las Vegas oder Atlantic City haben sich ganze Generationen von Gangstern, Stars, Schriftstellern, Pianisten an der Bar das Hirn aus dem Kopf gesoffen. Die Bar war der Ort der »Lost Generation«, F. Scott Fitzgerald, Ernest Hemingway, Philip Roth. Es gibt einen unsterblichen Frank-Sinatra-Song von dieser Welt: »One for My Baby, One More for the Road«.
     
    Hier der Witz:
     
    In der Bar des Hamburger Hotel Atlantic oder der des Berliner Adlon oder der des Münchener Vier Jahreszeiten sitzt am Tresen ein einzelner Gast und bestellt zwei einfache Whiskys. On the rocks! Nach geraumer Zeit: Noch mal zwei Whiskys. Auf Eis. Und dann, nach etwa einer weiteren Stunde: »Noch zwei, bitte! Mit Eis!«
    Der Barmann sagt zu dem einsamen Gast: »Entschuldigung! Es geht mich ja nix an. Aber warum bestellen Sie nicht statt der zwei Einfachen einen Doppelten? Das wäre doch logischer.«
    »Nein, nein«, sagt der einsame Trinker. »Das verstehen Sie falsch. Jetzt, wo ich hier meinen Whisky trinke, sitzt mein bester Freund in London im Carlton , bestellt sich auch zwei und wir prosten uns zu!«
    »Ach, das ist aber eine schöne Geschichte«, sagt der Keeper. Und der Mann zahlt und geht.
    Eine Woche später kommt er wieder. Setzt sich, und als der Kellner sich ihm zuwendet, sagt er: »Einen einfachen Whisky. Auf Eis.«
    Der Barkeeper schaut ihn kurz verdutzt an und stellt ihm dann einen einfachen Whisky hin. Nach einer Weile bestellt der Mann wieder einen Einfachen. Mit Eis. Und als das zum dritten Mal passiert, sagt der Keeper wieder:
    »Entschuldigung, es geht mich wieder nichts an! Aber ist Ihrem Freund in London im Carlton etwas passiert? Etwas Schlimmes?«
    »Nein, nein«, beruhigt ihn der Mann. »Keineswegs. Es geht ihm gut. Nur ich habe mir das Trinken abgewöhnt.«
     
    Auch dieser Witz hat einen überraschenden Dreh, eine Pointe, die alle Erwartungen auf den Kopf stellt. »Gott sei Dank«, denkt der Barkeeper und mit ihm der neugierige Zuhörer, »ist dem Freund in London, dem der Freund in Hamburg aus der Distanz kumpelhaft zuprostet, nichts passiert.«
    Doch das ist nicht einmal die halbe Wahrheit der Pointe. Im Gegenteil. Der Witz erzählt, während er scheinbar eine rührende Freundschaftsgeschichte von zwei getrennt Vereinten vorträgt, davon, dass Freundschaft in Wahrheit nur ein Vorwand für das Saufen ist. Wie Weihnachten, Ostern, Himmelfahrt (Vatertag), Betriebsfeiern (wenn sie nicht, wie im Gellért-Bad in Budapest, für eine Versicherungssause die Gartenlaube zum Puff machen), Karneval, Geburtstage. Alles endet in der fröhlichen Gewissheit: Darauf müssen wir noch einen trinken. Prost, Gerd! Sehr zum Wohl, Paul! So jung kommen wir nicht mehr zusammen! Der Witz vom Gast in der Atlantic -Bar entlarvt die Männerfreundschaft als pure Ausrede für das Sich-allein-Besaufen.
    Auch dies ist eine Geschichte, die, mit schöner Kunstfertigkeit erzählt, die gefühlige Scheinwelt eines Freundschaftsrituals zum absurden Ende bringt. Es ist die Lumpazivagabundus -Pointe Nestroys: »Wann ich mir meinen Verdruß nit versaufet, ich müßt mich grad aus Verzweiflung dem Trunk ergeben.«
    Im garantiert alkoholfreien Himmel würde darüber niemand lachen.
    So unsicher man darüber sein kann, ob es den Himmel überhaupt gibt, so sicher ist es, dass dort keine Witze über Religionen mehr erzählt werden – erzählt werden müssen. Zumindest nicht der folgende, in dem es um Religion und Atheismus geht und der einen kämpferischen Atheisten und einen altersmüden Bischof zu Protagonisten hat.
     
    Die beiden gehen, in einen »Gibt es Gott? Gibt es Gott nicht?«-Disput verwickelt, am Wiener Ring entlang. Und man hört Fetzen ihres erregten Dialogs.
    Der Atheist sagt: »Ich glaube nicht an Gott!«
    Und der Bischof: »Sehen Sie, das ist der Unterschied
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