Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Solange am Himmel Sterne stehen

Solange am Himmel Sterne stehen

Titel: Solange am Himmel Sterne stehen
Autoren: Kristin Harmel
Vom Netzwerk:
Erinnerungen an die Vergangenheit und Sehnsucht nach meiner Mutter.
    Ich klopfe leicht an die Tür, und er ist sofort wach. Er blättert in ein paar Unterlagen und räuspert sich, damit es nicht so aussieht, als hätte er einfach geschlafen. »Hope!«, ruft er. »Kommen Sie herein!«
    Ich trete in sein Büro, und er bietet mir mit einer Geste einen der Stühle vor seinem Schreibtisch an. Er steht auf und stöbert in seinem Aktenschrank, während wir Smalltalk darüber machen, wie schnell Annie groß wird und wie gern seine eigene Großnichte, Lili, die Lebkuchen mochte, die er an Heiligabend auf dem Weg nach Plymouth, wo Thoms Schwester mit ihrer Familie lebt, bei meiner Bäckerei mitgenommen hatte.
    »Es freut mich, dass sie Anklang fanden«, sage ich. »Sie waren ein Lieblingsgebäck meiner Großmutter, das sie zu allen Feiertagen gebacken hat.« Als ich in Annies Alter war, hatte ich meinen Job als offizielle Lebkuchen-Glasiererin der Bäckerei sehr ernst genommen; ich hatte all die kleinen Figuren mit Hüten, Handschuhen und manchmal sogar Nikolaus-Kostümen aus Zuckerguss eingekleidet.
    »Ich kann mich erinnern«, sagt Thom lächelnd. Schließlich zieht er einen Ordner aus dem Aktenschrank und kommt zurück an seinen Schreibtisch. »Lili hat mich gebeten, für nächstes Jahr eine Bestellung aufzugeben. Sie will wissen, ob Sie die Lebkuchenmänner mit Schlittschuhen machen können.«
    Ich lache. »Sie läuft jetzt Schlittschuh?«
    »Letztes Jahr war sie besessen von Reiten und Ballett, und jetzt ist es Schlittschuhlaufen«, sagt er. »Wer kann schon sagen, was es nächstes Jahr um diese Zeit sein wird?«
    Ich lächele. »Wissen Sie«, sage ich sanft, »ich befürchte, die Bäckerei wird es nächstes Jahr um diese Zeit vermutlich nicht mehr geben.«
    Thom zieht eine Augenbraue hoch. »Ach nein?«
    Ich nicke und senke den Blick. »Die Bank kündigt den Kredit auf. Ich habe das Geld nicht. Ich habe ein paar harte Jahre hinter mir, bei der Wirtschaftslage und allem.«
    Thom schweigt einen Moment. Er setzt seine Brille auf und studiert eines der Papiere, die er aus dem Ordner gezogen hat. »Wissen Sie, wenn das hier Ist das Leben nicht schön? wäre, dann käme jetzt der Teil, wo ich Ihnen sage, dass alle Bewohner der Stadt zusammenlegen werden, um zu helfen, die Bäckerei zu retten.«
    Ich lache. »Genau. Und Annie würde durch die Gegend laufen und allen sagen, dass jedes Mal, wenn irgendwo eine Glocke läutet, ein Engel seine Flügel bekommt.« Der Film ist mein Lieblingsfilm; Annie und ich haben ihn erst letzte Woche an Heiligabend mit Alain zusammen gesehen.
    » Wollen Sie die Bäckerei denn retten?«, fragt Thom einen Augenblick später. »Oder würden Sie, wenn Sie die Wahl hätten, lieber irgendetwas anderes tun?«
    Ich denke eine Minute darüber nach. »Nein. Ich will sie auf jeden Fall retten. Ich weiß nicht, ob ich das vor ein paar Monaten auch gesagt hätte. Aber jetzt bedeutet sie für mich etwas anderes. Ich weiß, dass sie mein Vermächtnis ist.« Ich lache halb, während ich wieder an den Film denken muss. »Wo sind die großzügigen Stadtbewohner, wenn man sie braucht, stimmt’s?«
    »Hmm«, macht Thom. Er studiert das Dokument in seinen Händen noch ein bisschen länger und sieht dann zu mir hoch. Der Anflug eines Lächelns umspielt seine Mundwinkel. »Was, wenn ich Ihnen sagen würde, dass Sie die Stadtbewohner gar nicht brauchen, um die Bäckerei zu retten?«
    Ich starre ihn an. »Was?«
    »Lassen Sie es mich so ausdrücken«, sagt er. »Wie viel Geld brauchen Sie, um alle Kosten zu decken und die Bäckerei wieder auf die Füße zu stellen?«
    Ich wende prustend den Blick ab. Von jedem anderen wäre die Frage unhöflich gewesen. Aber Thom kenne ich seit einer Ewigkeit, und ich weiß, dass er nicht aufdringlich ist; das ist einfach seine Art. »Weitaus mehr, als ich habe«, sage ich schließlich. »Weitaus mehr, als ich je haben werde.«
    »Hmm.« Thom setzt seine Lesebrille auf und sieht mit zusammengekniffenen Augen auf das Blatt Papier. »Wären dreieinhalb Millionen genug?«
    Ich huste. »Was?«
    »Dreieinhalb Millionen«, wiederholt er ruhig. Er sieht mich über seine Brille hinweg an. »Würde das Ihre Probleme lösen?«
    »Gott, ich denke schon.« Ich lache gequält auf. »Warum, haben Sie mir zu Weihnachten etwa ein Lotterielos gekauft?«
    »Nein«, erwidert er. »Das ist zufällig die Summe, die Jacob Levy in Form von Spareinlagen und diversen Investitionen besaß. Als Sie mich letzten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher