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So funktioniert die Wirtschaft

So funktioniert die Wirtschaft

Titel: So funktioniert die Wirtschaft
Autoren: Norbert Haering
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Ausland in Form von Entgelt für Exporte, Zinsen für Finanzanlagen im Ausland und Geschenken aus dem Ausland auf der einen Seite sowie dem Geldabfluss in Form von Entgelt für Importe, Zinsen für Anlagen von Ausländern im Inland und Geschenken ans Ausland auf der anderen Seite. (Einnahmen aus internationalem Tourismus gelten als Exporteinnahmen.) Wer ein Leistungsbilanzdefizit hat, baut eine Schuld gegenüber dem Ausland auf.
    Anders als in Griechenland verschuldete sich in den übrigen Krisenländern nicht in erster Linie der Staat, wie die folgende Tabelle zeigt. In Irland waren es die Banken, in Spanien die Privatwirtschaft, v. a. der Immobiliensektor.
    Land
Haushaltssaldo
(Summe)*
2003–2007
Staatsschuld*
Ende 2007
Leistungs-
bilanzsaldo*
2003–2007
Deutschland
–13
 65
 26
Griechenland
–31
105
–45
Portugal
–19
 63
–46
Spanien
  6
 36
–35
Irland
  4
 25
–13
    * Werte in % des jährlichen BIP
    Staatsschuld versus Auslandsschuld als Krisenauslöser
    Kern des Problems waren also die Verschuldung im Ausland und die Tatsache, dass Kredite so leicht zu bekommen waren. Das war der Fall, weil mit dem Eintritt dieser Länder in die Europäische Währungsunion das Wechselkursrisiko entfiel.Bis dahin hatten die Südländer wegen ihrer chronisch höheren Inflationsrate beständig gegenüber der D-Mark abgewertet. Ausländische Kreditgeber hatten in ihrem Kalkül berücksichtigt, dass die Peseten oder Drachmen, die sie später zurückbekommen würden, in D-Mark oder Pfund gemessen weniger wert sein würden als zum Ausleihzeitpunkt. Sie verlangten deshalb deutlich höhere Zinsen. Als dieses Wechselkursrisiko entfiel, gingen auch die Zinsen, die man den betreffenden Schuldnerländern abverlangte, drastisch zurück, bis fast auf das deutsche Niveau. An das Risiko einer Überschuldung dachten die Banken und Investoren bis zum Eintritt der Finanzkrise nicht.
    Durch den massiven Zinsrückgang hatten Haushalte, Unternehmen und Staat plötzlich viel mehr Geld zur freien Verfügung, das sie nicht mehr für den Schuldendienst verwenden mussten. Entsprechend gaben sie mehr für Konsumzwecke aus, die Nachfrage stieg und mit ihr auch Löhne und Preise. Bei den Zinsen kommt es v. a. auf die realen oder inflationsbereinigten Werte an. Wenn die Inflationsrate steigt, der Nominalzins aber gleich bleibt, dann sinkt der Realzins.
    Der Zinsrückgang führte zu einem Boom, der sich selbst verstärkte. Und weil Wachstum Eindruck macht, v. a. auf die Finanzmärkte, floss Geld reichlich und billig in diese Länder und finanzierte den Boom.
    Wirtschaftsboom durch sinkende Zinsen
    Wie fast immer bei derartigen selbstverstärkenden Prozessen in der Wirtschaft kippte auch dieser irgendwann in sein Gegenteil um. Die beständig steigenden Löhne bewirkten nämlich, dass die Produktion in diesen Ländern immer teurer wurde. Im Inland produzierte Waren verloren preislich immer mehr ihre Wettbewerbsfähigkeit. Die Leistungsbilanzdefizite wurden immer größer. Wenn die Finanzkrise nicht ausgebrochen wäre, hätte sich dieser Prozess wahrscheinlich noch eine Zeitlang fortgesetzt. Aber irgendwann hätten die Finanzmärkte auch ohne Subprime-Krise bemerkt, welche Gefahr hier langfristig droht, und sie hätten den Kredithahn abgedreht.
    Stattdessen aber sorgte nun die Finanzkrise dafür, dass sich die positive Rückkopplung in einen Teufelskreis umkehrte. Die Investoren wurden risikoscheu. Wer zu viele Schulden hatte – und die Länder am südlichen Rand des Euroraums gehörten dazu –, der bekam nur noch zu hohen Zinsen Kredit. Das verfügbare Einkommen sank, die Konjunktur brach ein. Haushalte und Unternehmen stellten fest, dass sie in dieser neuen, viel weniger dynamischen Wirtschaft viel zu hoch verschuldet waren. Folglich versuchten sie, ihre Schulden abzubauen. Damit die Rezession nicht in eine Depression abglitt, musste der Staat gegenhalten und höhere Defizite in Kauf nehmen. So verwandelte sich die allgemeine Schuldenkrise der peripheren Südländer und die Bankenkrise in Irland in eine Staatsschuldenkrise.
    Wichtig
    Ursache der Euro-Krise waren lang anhaltende hohe Defizite der südlichen Peripherieländer im Außenhandel. Als die Weltfinanzkrise die Konjunktur abwürgte und die Finanzierungskanäle verstopfte, kam es zu einer
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