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So coache ich

So coache ich

Titel: So coache ich
Autoren: Sabine Asgodom
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Regale, noch ein Tisch, Bett, Küchenzeile … Er erzählt, dass er Hunderte von Büchern hätte, auch in Kisten im Keller. Ich erzähle ihm, ich hätte auch viele Jahre lang Hunderte von Büchern in Kisten im Keller gehabt und könne das gut verstehen. Dann frage ich das Publikum,
wer auch Aufräumbedarf in seiner Wohnung, dem Keller oder der Garage hätte: Mehr als die Hälfte hebt die Hand.
    Wir lachen gemeinsam, mein erstes Ziel ist erreicht: den Gast zu entlasten. Ich möchte ihm zeigen: »Schau mal, anderen geht es ähnlich. Nein, du bist kein Messi, du bist nicht außergewöhnlich, es geht dir wie vielen anderen. Du bist okay.« Vielleicht haben die anderen mehr Platz zum Verräumen, aber er hat nur dieses eine Zimmer und einen winzigen Keller.
    Sie können sich vorstellen, dass ein knackiger Rat wie »Na, dann geben Sie Ihrem Herzen mal einen Stoß und schmeißen Sie ordentlich Sachen weg« umsonst wäre. Wenn er das tun könnte, hätte er das längst getan. Deshalb möchte ich ihm eine andere Idee nahebringen. Ich frage ihn, ob er sich vorstellen könnte, nur zwei Quadratmeter seines Apartments aufzuräumen. Was er mit den Sachen macht, die dort liegen, erkläre ich, ist völlig egal, er kann sie auch woanders im Zimmer noch oben draufpacken.
    Er nickt sofort, ja, das könnte ihm gefallen. Ich frage ihn, welche zwei Quadratmeter er sich dafür aussuchen würde. Er zeichnet sie spontan in seinen Zimmerplan ein. »Hier, diesen Tisch könnte ich leer räumen.« Mein Gast spürt, ja, das schafft er, das kann er leisten. Und an seinem Lächeln sehe ich, dass ihm die Vorstellung Spaß macht, seine Augen leuchten. Ich rege an, wenn er die zwei Quadratmeter geschafft hat, ob er sich dann einen weiteren vornehmen möchte. Er nickt wieder begeistert. Es macht mir immer wieder Spaß, mit Coaching-Kunden auf verblüffende Ideen zu kommen, denn die ganz normalen kennen wir meist selbst schon. Und dazu braucht es den Blick von außen, ohne ein Urteil abzugeben, um neue Impulse zu finden.
    Mein Gast verspricht mir am Schluss, mir ein Foto von den aufgeräumten Quadratmetern zu schicken. Bereits eine
Woche nach der Aufzeichnung bekommen wir in der Redaktion von Sabine Asgodom , so heißt meine Sendung, einen Brief und das Foto von ihm: darauf der blitzblanke, aufgeräumte zwei Quadratmeter große Tisch. Mein Gast ist offensichtlich stolz darauf. Und ich bin es auch.
    Ich kann bei einigen von Ihnen direkt die Denkblase über Ihrem Kopf sehen: »Ja, da hätte der doch auch alleine draufkommen können. Dafür muss man sich doch nicht coachen lassen!« Falsch. Die Lebensfreude meines Gasts war durch etwas getrübt, was er nicht in den Griff bekommen hat. Wenn er allein hätte draufkommen können, dann hätte er es gemacht. Und etwas anderes kennen Sie sicher auch: Für andere sind wir immer viel schlauer. Für uns selbst haben wir manchmal Hirnleere, wenn wir Lösungen brauchen. Aber beim Blick auf anderer Leute Probleme sprudeln die Ideen.
    Deshalb ist eine Stärke des Coachings der Dialog, das Aussprechenkönnen von Dingen. Und die kluge Nachfrage. Beim Reden über etwas, das uns bewegt, diese Erfahrung haben Sie vielleicht auch schon gemacht, löst sich manchmal schon etwas von der geistigen Erstarrung. Das ist so, wie wenn wir den Kollegen fragen: »Du, sag mal, wie heißt der Schalter, der an dieser Maschine … Ach, lass, ich hab’s schon.«
    Leider haben wir nicht immer einen Menschen zur Stelle, dem wir erzählen können, was wir wissen wollen. Gott sei Dank wirkt dieses Prinzip auch im inneren Dialog. Wenn Sie mit sich selbst »reden«, ist das kein Zeichen von Verwirrung, sondern äußerst klug, Sie selbst können sich helfen, Lösungen zu entwickeln. Schon der große deutsche Dichter Heinrich von Kleist wusste von der »allmählichen Verfertigung der Gedanken beim Reden« zu berichten.

    Heinrich von Kleist (1805):
Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden
    Wenn du etwas wissen willst und es durch Meditation nicht finden kannst, so rate ich dir, mein lieber, sinnreicher Freund, mit dem nächsten Bekannten, der dir aufstößt, darüber zu sprechen. Es braucht nicht eben ein scharf denkender Kopf zu sein, auch meine ich es nicht so, als ob du ihn darum befragen solltest: nein! Vielmehr sollst du es ihm selber allererst erzählen. Ich sehe dich zwar große Augen machen und mir antworten, man habe dir in früheren Jahren den Rat gegeben, von nichts zu sprechen als nur von Dingen, die du bereits
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