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Snobs: Roman (German Edition)

Snobs: Roman (German Edition)

Titel: Snobs: Roman (German Edition)
Autoren: Julian Fellowes
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Feinde betrachtest, meine Liebe.«
    »Das mag dir Leid tun, aber es kann dich kaum überraschen.«
    Lady Uckfield sah sie verletzt an. »Ich wollte, dass eure Ehe funktioniert, vergiss das nicht. Wenn du anders denkst, urteilst du falsch über mich. Ich wollte immer, dass ihr glücklich seid.«
    »Du wolltest, dass wir aus einer Missheirat das Beste machen.«
    »Aber das hast du nicht getan, nicht wahr?«, sagte Lady Uckfield trocken. Aus ihrer Stimme war jede Spur ihrer sonstigen Überschwänglichkeit, ihres Vibratos verschwunden.
    Diese Bemerkung war, wie Edith sich eingestehen musste, berechtigt genug, um ihr den Wind etwas aus den Segeln zu nehmen. Konnte sie vernünftigerweise verlangen, dass Lady Uckfield hätte jubeln sollen, als sie in ihr Leben trat? Warum sollte ihre Schwiegermutter sie jetzt zurückhaben wollen, nachdem diese unangenehme Episode fast vorüber war? Lady Uckfield war noch nicht fertig. »Vor einem Jahr«, sagte sie, »hattest du Charles gründlich satt. Wenn er redete, hast du mit den Zähnen geknirscht, wenn er dich berührte, hat dich geschaudert. Ich bin seine Mutter und habe mit dir unter einem Dach gewohnt. Hast du gedacht, ich würde diese Dinge nicht bemerken?«
    »So war es nicht.«
    »Es war genau so. Er hat dich gelangweilt. Zu Tode gelangweilt. Schlimmer noch, er hat dich gereizt bis zum Wahnsinn. Er konnte es dir nicht recht machen, sosehr er es versuchte. Nichts, was er sagte oder tat, war richtig. Allein schon seine Gegenwart hat dich auf die Palme gebracht, und jetzt … wie soll ich diesen plötzlichen dringenden Wunsch, ihn zu sehen, verstehen? Was hat sich geändert?«
    Edith richtete sich auf und sah ihrer Gegnerin in die Augen. Sie war entschlossen, irgendwie die Initiative wieder an sich zu reißen. »Bist du schon auf die Idee gekommen, dass ich vielleicht Zeit zum Nachdenken hatte? Oder bin ich in deinen Augen zu dumm, um an etwas anderes zu denken als an Geld und sozialen Aufstieg?«
    »Meine Liebe, ich habe dich nie für dumm gehalten.« Lady Uckfield hob protestierend die Hand. »Das wenigstens musst du mir zugute halten.« Unten knirschte der Kies und die Ältere ging zum Fenster hinüber, doch es war nicht Charles – sie hatte befürchtet, er käme zurück, um etwas Vergessenes zu holen. »Ich muss mich fragen, warum dir jetzt eine Begegnung plötzlich so wichtig ist, nachdem du in den ersten Monaten keinen solchen Wunsch hast erkennen lassen. Ich bin eine Mutter und muss mich fragen, was kann sich denn geändert haben, dass du dir eine erneute Verbindung mit meinem Sohn so dringend wünschst, wie sie dir damals zuwider war.«
    »Vielleicht habe ich gemerkt, dass ich keine gute Entscheidung getroffen habe. Ist das so schwer zu verstehen?«
    »Im Gegenteil. Ich finde das sehr verständlich. Vor allem, da ich glaube, dass du wirklich eine sehr schlechte Wahl getroffen hast. Aber  …« Sie legte wie ein onkelhafter Prediger die Fingerspitzen zu einem Dach zusammen. »Warum jetzt ? Warum ein solcher Umschwung von einem Moment zum anderen?«
    Edith starrte sie an. »Du kannst mich nicht ewig davon abhalten, ihn zu sehen«, sagte sie.
    Lady Uckfield nickte. »Nein. Das kann ich wohl nicht.«
    »Was soll das Ganze dann?«
    »Ich glaube, ich kann es einige Monate verhindern. Sechs vielleicht, vielleicht auch nur drei. Schauen wir doch, wie wir dann alle über deine schlechte Wahl denken.«
    Da erkannte Edith, dass ihre Schwiegermutter, die liebe Googie mit dem blütenreinen Gemüt, es natürlich wusste. Sie sprachen es nie aus, weder damals noch in den folgenden Jahren, aber von dieser Sekunde an stand außer Zweifel, dass sie es beide wussten. Edith erhob sich. »Ich gehe jetzt.«
    »Sicher? Kann ich dir nicht etwas zu essen bringen lassen? Oder möchtest du die Toilette benutzen? Du hast einen so weiten Weg gemacht.« Ihr Ton hatte wieder zum üblichen Muster der Vertraulichkeit zurückgefunden, zum Rhythmus im Schlafsaal geteilter Mitternachtsgeheimnisse.
    In diesem Moment war es schwer für Edith, diese Frau, ihre eingeschworene Feindin, auf eine verquere Weise nicht zu bewundern, eine Frau, die jedes Argument eines jeden Herausforderers souverän zurückzuschmettern verstand. Es war schwer, aber nicht unmöglich. »Du bist ein gemeines Biest«, sagte sie. »Ein gemeines Biest ohne Herz, mit einer Haut aus Leder.«
    Lady Uckfield schien kurz über diese Worte nachzudenken und nickte dann. »Wahrscheinlich hat deine unschmeichelhafte Beschreibung durchaus etwas
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