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Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Snack Daddys Abenteuerliche Reise

Titel: Snack Daddys Abenteuerliche Reise
Autoren: Gary Shteyngart
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Heiratet. Nach den russischen Luftangriffen nächste Woche wird sich die Lage beruhigen. Du wirst schon sehen. Ich beteilige dich am Zigarettengeschäft, nicht dass du es nötig hättest.«
    »Aber hier werden wir sterben«, sagte ich und putzte mir die Nase.
    »Nicht unbedingt. Verstehst du denn nicht? Ich würde alles dafür tun, dass sie bleibt. Du kennst doch deinen Vater. Er hat einen Amerikaner erschossen, nur damit du ihn ganz bestimmt nicht verlassen konntest.«
    Dicht über dem toten Schaf kreisten die Möwen, und die Kellner des »Hündchens« fingerten an ihren Pistolen herum. Ich musste wieder an die Möwe denken, die den Jungen aus England angegriffen hatte, auf dem Video, das zeigte, wie mein Vater geköpft wurde. Wo immerich hinkam, warteten Raubvögel auf eine günstige Gelegenheit. Ich starrte in den rauchig grauen Himmel über uns, den schwarzen Qualm, der vom Grill des »Hündchens« aufstieg, den Dunstschleier, der aus der noch immer brennenden Stadt herüberwehte. »Mischa«, sagte Herr Nanabragov. »Mischa. Wie kannst du mir einen Vorwurf machen? Dein Vater hat einen Mann aus Oklahoma umgebracht, nur damit du nicht wieder nach New York gehen konntest.«
    »Ich weiß«, sagte ich schlicht.
    »Er wollte dich in seiner Nähe haben. Er hat dich so vermisst. Gibt es etwas Wichtigeres als die Umarmung eines Vaters?«
    »Nichts«, hauchte ich.
    Und dann warf sich Herr Nanabragov an meinen Hals, weinte und ruckelte und besprang mein Bein. Noch immer rochen sie nach ranzigem Schweiß, unsere Alten, sie konnten es nicht lassen. Da gab es all diese französischen Duftwässer und Feuchtigkeitsgels, aber noch immer hing unter ihren Achseln dieser infernalische Gestank. »Mischa!« Herr Nanabragov weinte. »Du musst mir versprechen, dass du mir meine Nana nicht wegnimmst.«
    Ich fühlte, wie er sich an mir zusammenzog und im Rhythmus meines Pulsschlags zuckte. »Sonst würde ich ganz, ganz böse werden, Mischa«, sagte er. »Und deshalb musst du mir versprechen, dass sie nicht fortgeht.«
    Ich spürte seinen bitteren Sabber in meinem Nacken. »Ich verspreche es«, sagte ich.

42
    Cracker und Limo
     
    Ein paar Tage darauf reisten wir ab. Man schrieb den 9. September. Der Tag war leicht und luftig und versprach Erlösung von der Sommerhitze. Der Bahnhof befand sich auf dem Svanï-Plateau, aber es gab keine Vorsichtsmaßnahmen mehr zu treffen. Die Kontrollposten von DORSCH und Bundesstreitkräften waren verschwunden, und die svanïschen und sevischen Bürger taumelten ungehindert durcheinander und durften sich ein Plateau zum Sterben aussuchen.
    In der Wartehalle standen wir unter einem verblassten Porträt des svanïschen Diktators Georgi Kanuk, auf dessen würdiges Greisengesicht ein Kommentator TERRORIST #1 gekritzelt hatte und ein anderer VATER DER NATION . Nanas Mutter hatte sich aus dem Haus geschlichen, um uns zu verabschieden. Einmal Hof und Küche entkommen, war sie plötzlich ein ganz anderer Mensch, gefühlvoll und lebhaft. Die Nachmittagssonne lag auf ihren blassen Stubenhockerwangen. Ihre Augen flossen über vor Tränen um die Abreise ihrer Tochter, und doch verabschiedete sie uns mit verhaltener Freude. »Gott wird euch schützen«, sagte sie immer wieder zu Nana und mir. »In Brüssel, in New York oder wohin euer Weg euch auch immer führen mag, wird Gott mit einem väterlichen Auge über euch wachen.«
    »Sag Papa, dass mir das Herz bricht«, schluchzte Nana. »Sag ihm, dass ich wiederkomme, sobald der Krieg vorbei ist, also sollten sie vielleicht versuchen, die Sache bis zu den Weihnachtsferien geregelt zu bekommen. Übrigens ist auf dem Konto bei der Citibank noch Geld? Ich habe meine Studiengebühren noch nicht bezahlt.«
    Frau Nanabragovna trocknete ihre Tränen. »Du bist jetzt mitMischa zusammen«, sagte sie und zeigte auf den ungefähren Aufbewahrungsort meiner Brieftasche. »Mischa wird dein Vater sein, und du kannst dich immer an seinem Brunnen laben.« Mutter und Tochter lächelten und umarmten einander.
    Ich war wütend, die Nanabragovs ekelten mich an, und doch bewegte mich die Abschiedsszene. »Pass auf dich auf, Mütterchen«, sagte ich zu Frau Nanabragovna. »In der nächsten Woche wollen die Russen die Stadt bombardieren. Sie müssen im Keller Schutz suchen.«
    »Oh,
unser
Haus werden sie nie angreifen«, sagte Frau Nanabragovna und winkte ab. »Sie drehen nur eine Runde über Gorbigrad.«
    Ein ganzer Trupp Männer in zusammengestückelten Tarnanzügen mit der Aufschrift AMERICAN
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