Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Smart Magic

Smart Magic

Titel: Smart Magic
Autoren: Christoph Hardebusch
Vom Netzwerk:
hören.
    »Hundert? Was soll das? Nur hundert?«
    Eine leise Stimme antwortete, zu leise, als dass Tom hätte erkennen können, wer dort angeschrien wurde. Aber es war auch egal; jedes der elf Pflegekinder erwischte es irgendwann mal. Das klatschende Geräusch einer Ohrfeige ertönte, rasch gefolgt von zwei weiteren Schlägen. Jemand jaulte auf. Der Alte kannte keine Gnade, weder den Jüngsten noch den Schwächsten gegenüber.
    Auf der obersten Treppenstufe hielt Tom inne. Sein Innerstes verkrampfte sich, und jetzt wünschte er sich, sie wären doch zu Bollo gegangen. Dann hätte er jetzt keinen Hunger und keine Angst, sondern eine Schale Pommes frites in der Hand, und er würde Witze mit Alex reißen.
    Plötzlich spürte Tom die Hand des Älteren auf seiner Schulter, den beruhigenden Druck. »Wir haben heute genug«, sagte Alex leise, und Tom nickte leicht und griff nach der Klinke.
    Als er die Tür öffnete und eintrat, drang kurz die wütende Tirade nach draußen, bevor sich die Tür wieder hinter den beiden schloss.
    Den schwarzen Vogel, der lautlos auf dem Dachfirst landete, sah Tom nicht mehr.

Wie der Wind
    Wie der Wind

    Wild und leicht wie der Wind glitt Matani durch das hohe, goldene Gras. Wenn sie es gewollt hätte, wäre sie unsichtbar gewesen, denn hätte sie sich geduckt, hätte das endlose Meer aus Halmen sie vor allen Blicken verborgen. Einige Dutzend Schritt entfernt lief ihre Begleiterin, doch Matani spürte sie mehr, als dass sie sie hörte oder gar sah.
    Eine Böe strich durch die Halme, und eine flüsternde Wellenbewegung erfasste die Ebene, da sie sich vor der Macht des Windes neigten. So musste es am Meer sein, von dem der Vater Matani erzählt hatte. Er hatte das endlose Wasser noch gesehen, jenseits der weiten Steppen, und Matanis Herz verlangte es nach diesem Anblick, nach dem Geruch der See, ihrem Rauschen – ein Verlangen, das die Worte ihres Vater in ihre Seele gepflanzt hatten.
    Aber das Meer war unerreichbar fern, denn das Land an der Küste gehörte nicht mehr Matanis Volk; ihm blieb nur die See aus Gras, durch die sie sich nun geschmeidig bewegte.
    Obwohl die Sonne langsam unterging, war es noch warm. Ihre Strahlen tauchten die Ebene in ein honigfarbenes Licht, das sich zäh über die sanften Hügel ergoss. Bald würden sich auch die letzten Strahlen verlieren, und die Farben der Welt würden zu Grau verblassen, um schließlich in der Dunkelheit der Nacht zu vergehen. Matani lief schnell weiter, denn sie wollte wieder ins Lager zurückkehren, bevor man ihre Abwesenheit bemerkte. Doch erst musste sie noch etwas tun.
    Als sie schließlich ihr Ziel erreichte, war es bereits dunkel. Ein unangenehmer, scharfer Geruch lag in der Luft und kratzte ihr in der Kehle. Sie ließ sich auf dem niedrigen Hügel auf ein Knie sinken und atmete bewusst langsam, um ihr von der Anstrengung des Laufens hämmerndes Herz zu beruhigen.
    Neben ihr raschelte es im Gras, dann trat ihre Begleiterin an ihre Seite.
    »Da bist du ja«, flüsterte Matani und fuhr mit der Hand durch das erdfarbene Fell der Füchsin. Ihre eigene dunkle Haut verschmolz mit den Schatten der Nacht, und auch die Füchsin verstand es, die Dunkelheit für sich zu nutzen. Sie bellte leise, und Matani lächelte.
    Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf ihr Ziel. Es lag unter ihr, knapp zweihundert Schritt entfernt. Ein beständiges, dumpfes Wummern stieg von dort auf, kroch durch den Boden und Matanis Beine hinauf. Sie richtete sich vorsichtig auf, um besser sehen zu können.
    Es war ein großes Lager, vier flache, sehr lange Hütten, in einem Rechteck angeordnet. In der Mitte stand ein gedrungener Turm. Grelles farbiges Licht schien auf den freien Platz, und in den Fenstern blitzte es bunt. Etwas, was auf den ersten Blick wie riesige Schlangen wirkte, verband Hütten und Turm. Zwei lilafarbene, leuchtende Kugeln wanderten die Außenseite des Turms empor, dann sanken sie wieder zu Boden, nur um ihren Aufstieg neu zu beginnen.
    Zwischen den vielen Lichtern sah Matani Gestalten, Menschen, die im Lager zu arbeiten schienen. Auch andere Schatten bewegten sich dort, aber was sie taten, konnte Matani nicht erkennen.
    Das Wummern wurde schneller, ein hohes, unangenehmes Sirren gesellte sich hinzu, und oben aus dem Turm stieg eine Wolke auf, die in dem unnatürlichen Licht unheimlich wirkte.
    »Wir müssen näher heran«, wisperte Matani und machte sich auf den Weg. Die Füchsin würde ihr folgen, dass wusste sie. Jetzt lief sie geduckt, tief im
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher