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Sinnliche Maskerade

Sinnliche Maskerade

Titel: Sinnliche Maskerade
Autoren: Jane Feather
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Dezembernachmittag nun am Schreibtisch gegenübersaß.
    Und jetzt musste sie Alexandra eine Nachricht überbringen, die wer weiß was für Auswirkungen auf deren Zukunft haben konnte.
    Je länger das Schweigen sich ausdehnte, desto unbehaglicher war Alexandra zumute. Bis Helene verkündete:
    »Ich habe schlechte Neuigkeiten für dich, meine Liebe.« Sie ergriff das Pergament auf ihrem Schreibtisch. »Dies stammt vom Anwalt deines Vaters in Chancery Lane. Alexandra, es tut mir sehr leid, dir dies mitteilen zu müssen, aber dein Vater ist sehr plötzlich verstorben.«
    Alex blinzelte, schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter.
    »Papa ist tot?«
    Helene nickte und schob ihr den Brief zu.
    »Lies selbst, meine Liebe.«
    Alexandra starrte auf die schwarze Anwaltsschrift und auf das Siegel eines Gasthauses in Chancery unten auf dem Blatt. Es war nicht mehr als die schlichte Feststellung des Todes von Sir Arthur Douglas am fünfzehnten Tag des Monats November im Jahr des Herrn 1762. Im folgenden Abschnitt hieß es nur, dass es Angelegenheiten, die Ländereien betreffend, mit Sir Arthurs Töchtern zu besprechen gebe und dass Anwalt Forsett sich freuen würde, die Reise nach Hampshire anzutreten, um besagte Angelegenheiten mit den Mistresses Alexandra und Sylvia Douglas besprechen zu dürfen, es sei denn, sie würden es vorziehen, ihn in seinen Räumlichkeiten in Chancery Lane aufzusuchen.
    »Es tut mir so leid, meine Liebe«, wiederholte Helene angesichts der Blässe ihres Zöglings und des Tränenschleiers in dessen Augen.
    Alexandra schüttelte den Kopf, als wollte sie die Tränen verscheuchen. Seit fünf Jahren hatte sie ihren Vater nicht mehr gesehen. Jedes Jahr zu Weihnachten hatte es ein Geschenk gegeben, aber niemals einen Brief oder irgendetwas Persönliches. Anfangs hatte sie sich gefragt, womit sie und Sylvia die Feindseligkeit ihres Vaters heraufbeschworen hatten. Aber im Laufe der Zeit lernte sie, sich nicht weiter darum zu kümmern. Die letzte romantische Eskapade ihrer Mutter war für ihren Vater sicherlich entscheidend gewesen, um sich von ihren gemeinsamen Sprösslingen zu trennen; und als die Nachricht der Scheidung und seiner neuerlichen Eheschließung in Form einer knappen Notiz desselben Anwalts bei ihnen eintraf, hatten seine Töchter die Situation längst akzeptiert. Für Alexandras Pflege und den Unterricht in St. Catherine’s wurde regelmäßig gezahlt. Auch für Sylvias Versorgung bei ihrer früheren Kinderfrau war ohne Unterbrechungen finanziell gesorgt. Alexandra hatte vage angenommen, dass ihr Vater irgendwelche Vorkehrungen für die Zukunft getroffen hatte, und aufgehört, dessen Schweigen zu hinterfragen.
    Bis zu jenem kalten Januarmorgen in der Kanzlei des Anwalts Forsett.
    Alexandra riss sich zurück in die Gegenwart, in die mondhelle Nacht, in die ruhige Kammer in ihrem Rücken und die wunderbar vertrauten Geräusche des Heimes ihrer Familie. So vertraut und inzwischen doch so unbekannt ... Wieder spürte sie, wie die alte und kalte Wut in ihr aufkeimte. Wie mühsam hatte sie über die Jahre lernen müssen, ihr überschießendes Temperament zu zügeln! Sie war der geborene Hitzkopf, und es hatte zahllose unangenehme Lektionen gebraucht, das Bedürfnis in ihr zu wecken, ihr Temperament zu zügeln und es auch zügeln zu können. Über Ungerechtigkeit hatte sie sich schon immer aufgeregt; die Ungerechtigkeit, von der sie und ihre Schwester zurzeit ständig tyrannisiert wurden, drohte die hart erarbeitete Selbstbeherrschung in Grund und Boden zu stampfen.
    Ein paar Sekunden lang kämpfte sie ihren stummen Kampf, so lange, bis sie spürte, wie ihre Wut sich unter die gleichermaßen kalte, aber doppelt so nützliche Entschlossenheit flüchtete. Ihr abscheulicher Cousin Stephen sollte, obgleich er es niemals erfahren würde, für seinen Geiz bezahlen, und zwar so lange, bis sie die zehntausend Pfund beisammen hatte, die ihr Vater seinen Töchtern hatte hinterlassen wollen.
    Nicht dass das Geld mir oder Sylvia den Vorzug der legitimen Geburt zurückerstatten wird, dachte sie in einem neuerlichen Zornesausbruch, der sich diesmal direkt gegen ihren Vater richtete. Wie hat er seinen Töchtern das nur antun können? Alex erinnerte sich an ihn als an einen liebevollen Vater, der zwar manchmal ein wenig zerstreut wirkte; und sie erinnerte sich auch an die zahlreichen Stunden, die er und sie gemeinsam in der Bibliothek verbracht hatten ... in der Bibliothek unten in Combe Abbey, wo sie die besseren Tage
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