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Sind Sie hochsensibel?

Sind Sie hochsensibel?

Titel: Sind Sie hochsensibel?
Autoren: mvg verlag
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und unethischen Aspekte unserer Persönlichkeit einzugestehen und sie unter Beobachtung zu stellen, anstatt sie zur Vordertür hinauszuwerfen, und wenn wir dann einmal nicht aufpassen, sind sie bereits durch die Hintertür wieder hereingeschlüpft. Üblicherweise sind vor allem die Leute in moralischer Hinsicht gefährdet und für andere am gefährlichsten, die sich sicher sind, dass sie nie etwas falsch machen, die vollkommen selbstgerecht sind und keinerlei Ahnung haben, dass sie einen Schatten besitzen oder wie dieser beschaffen ist.
    Abgesehen davon, dass das Wissen um Ihre Schatten die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Sie sich moralisch richtig verhalten,entwickelt es – wenn es bewusst integriert wird – auch Energien, die Ihrer Persönlichkeit mehr Vitalität und Tiefe verleihen. Im 6. Kapitel habe ich von den befreiten, unangepassten, höchst kreativen HSM gesprochen. Den eigenen Schatten kennen zu lernen ist die beste und vielleicht einzige Methode sich aus der Zwangsjacke der Übersozialisierung zu befreien, die HSM oft seit ihrer Kindheit einengt. Der gewissenhafte HSM in Ihnen, der gerne gefallen möchte, trifft auf einen machtvollen, ränkeschmiedenden, sich selbst verherrlichenden, selbstbewussten und impulsiven HSM und profitiert von ihm. Diese beiden Seiten der eigenen Persönlichkeit, die sich gegenseitig überprüfen und respektieren, gleichsam zuzulassen, ist sinnvoll und gut.
    Diese Integration ihrer Schattenseite ist ein Teil dessen, was ich unter dem Streben nach Vollständigkeit verstehe und HSM können in dieser Hinsicht eine führende Rolle übernehmen. Die Sehnsucht nach Vollständigkeit hat für HSM besonderen Aufforderungscharakter, weil wir uns am extremen Ende einer Dimension befinden – der Dimension der Sensibilität. Darüber hinaus stellen wir in unserer Kultur nicht nur eine Minderheit dar, sondern gelten auch als weit entfernt von den gängigen Idealvorstellungen. Anscheinend ist es für uns nötig, von dem einen Extrem, nämlich sich als schwach, mit einem Makel behaftet und als Opfer zu empfinden, zum anderen Extrem zu gelangen – dem Gefühl von Stärke und Überlegenheit. Dieses Buch will in dieser Hinsicht Mut machen. Ich betrachte das als eine notwendige Kompensation. Für viele HSM besteht jedoch die eigentliche Herausforderung darin den goldenen Mittelweg zu finden – nicht mehr zu schüchtern oder zu empfindsam oder ähnliches zu sein, sondern einfach in Ordnung, normal und durchschnittlich.
    Vollständigkeit ist für HSM auch ein wesentlicher Faktor in Bezug auf das spirituelle und psychologische Dasein, da wir uns oft bereits gut in diesen Bereichen auskennen. Wenn wir aber allein auf ein spirituelles Dasein beharren und alles andere ausschließen, bleiben wir einseitig. Es fällt uns äußerst schwereinzusehen, dass die spirituellste Angelegenheit vielleicht darin besteht weniger spirituell zu sein, und die einsichtsvollste psychologische Haltung vielleicht bedeutet seltener bei psychologischen Einsichten zu verweilen. Nach Vollständigkeit und nicht nach Vollkommenheit zu streben ist vielleicht die einzige Möglichkeit, diese Botschaft zu verstehen.
    Abgesehen von diesen beiden allgemeinen Aussagen ist das Bemühen um Ganzheit eine sehr individuelle Angelegenheit, sogar für HSM. Wenn wir vor allem nach innen gewandt leben, werden wir uns mehr nach außen wenden wollen oder schließlich dazu gezwungen werden. Wenn wir uns bisher ausschließlich nach außen gewandt haben, werden wir nach innen gehen müssen. Wenn wir uns einen Panzer angelegt haben, werden wir uns unsere Verletzlichkeit eingestehen müssen. Wenn wir furchtsam gewesen sind, werden wir anfangen uns innerlich unwohl zu fühlen, bis wir uns mehr behaupten.
    Folgt man der Ansicht der Jungianer gegenüber Intro- und Extravertiertheit, haben es die meisten HSM auf Ihrem Weg zur Ganzheit nötig ihre extravertierte Seite zu pflegen. Martin Buber, der so eloquent über die Ich-Du-Beziehung * 12 geschrieben hat, erzählte, sein Leben habe sich an jenem Tag verändert, als ein junger Mann mit einer Bitte um Hilfe zu ihm gekommen sei. Buber war aber zu sehr mit seiner Meditation beschäftigt gewesen, um den Besuch des jungen Mannes richtig einzuschätzen. Kurz darauf fiel sein Besucher im Krieg. Bubers hingebungsvolle Beschäftigung mit der Ich-Du-Beziehung
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