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Sie sehen dich

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Titel: Sie sehen dich
Autoren: H Coben
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vorsichtig ihre Schützer ab. Sie wurden alle älter, und Eishockey war ein Sport für junge Männer.

    »Aber sie weiß doch ganz genau, dass du um diese Zeit beim Eishockey bist, oder?
    »Klar.«
    »Warum lässt sie dich dann nicht in Ruhe?«
    »Es ist nur eine SMS, Mo.«
    »Du reißt dir die ganze Woche lang im Krankenhaus den Arsch auf«, sagte Mo mit diesem Anflug eines Lächelns, bei dem man nie genau wusste, ob er einen auf den Arm nahm oder nicht. »Dies ist unsere Eishockeyzeit, und die ist heilig. Langsam könnte sie das mal mitgekriegt haben.«
    Mo war dabei gewesen an jenem kalten Winterabend, als Mike Tia zum ersten Mal gesehen hatte. Genaugenommen hatte er sie sogar noch vor Mike gesehen. Es war beim Saisoneröffnungsspiel gegen Yale in Mikes und Mos vorletztem Studienjahr gewesen. Tia hatte auf der Tribüne gesessen. Beim Aufwärmen vor dem Spiel  – sie fuhren ein paar Kreise und dehnten sich  – hatte Mo ihn mit dem Ellbogen angestoßen und mit einem Nicken in Richtung Tia gesagt: »Hübsche Möpse unterm Pulli.«
    So hatte es angefangen.
    Mo vertrat die These, dass alle Frauen entweder auf Mike oder eben, tja, auf ihn standen. Mo kriegte die, die sich zu bösen Buben hingezogen fühlten, Mike die, die in seinen babyblauen Augen das Haus im Vorort mit Garten und Palisadenzaun zu sehen glaubten. Im letzten Drittel, Dartmouth lag weit in Führung, fing er also einen Streit an und verprügelte einen Yale-Spieler. Nachdem er seinem Gegenüber richtig eine verpasst hatte, drehte er sich um, blinzelte Tia zu und wartete auf ihre Reaktion.
    Die Schiedsrichter gingen dazwischen und brachen den Kampf ab. Bevor Mo zur Strafbank fuhr, beugte er sich noch kurz zu Mike herüber und sagte: »Ist deine.«
    Er konnte nicht ahnen, wie Recht er mit diesen Worten haben sollte. Mike und Tia trafen sich nach dem Spiel auf einer Party. Tia war in Begleitung eines Studenten aus dem letzten Studienjahr
gekommen, an dem sie aber kein größeres Interesse zeigte. Nach kurzer Zeit unterhielten Mike und Tia sich darüber, was sie früher gemacht hatten. Er hatte gleich zu Anfang ihres Gesprächs erwähnt, dass er Medizin studieren und Arzt werden wollte. Sie hatte gefragt, seit wann er das vorhatte.
    »Eigentlich schon immer«, hatte er geantwortet.
    Mit der Antwort hatte Tia sich nicht zufriedengegeben. Sie hatte nachgehakt, was sie, wie er bald feststellen sollte, eigentlich immer machte. Schließlich hatte er sich dabei ertappt, wie er ihr erzählte, dass er als Kind ziemlich krankheitsanfällig gewesen war und Ärzte damals zu seinen Helden geworden waren. Sie hörte auf eine Art zu, wie er es noch nie bei einem anderen Menschen erlebt hatte. Man konnte nicht sagen, dass sich daraus dann mit der Zeit eine Beziehung entwickelte  – sie beide hatten sich vielmehr kopfüber in diese Beziehung hineingestürzt. Mittags waren sie gemeinsam in der Cafeteria essen gegangen. Abends hatten sie zusammen gelernt. Mike hatte ihr Wein und Kerzen in die Bibliothek mitgebracht.
    »Hast du was dagegen, wenn ich mal eben zwischendurch die SMS lese?«, fragte Mike.
    »Das ist vielleicht eine Nervensäge.«
    »Du musst deine Gefühle nicht unterdrücken, Mo. Immer raus damit.«
    »Würde sie dir auch eine SMS schicken, wenn du in der Kirche wärst?«
    »Tia? Ich glaub schon.«
    »Gut, dann lies sie. Und dann schreib ihr, dass wir auf dem Weg zu einem fantastischen Sexclub sind.«
    »Klar doch. Mach ich.«
    Mike drückte eine Taste und las den Text.
    Wir müssen reden. Ich hab was im Computerbericht gefunden. Komm direkt nach Haus.

    Mo sah den Ausdruck in Mikes Gesicht. »Was ist?«
    »Nichts.«
    »Gut. Dann fahren wir gleich in den Sexclub?«
    »Wir wollten überhaupt nicht in einen Sexclub.«
    »Gehörst du etwa auch zu den Weicheiern, die dazu ›Herrenclub‹ sagen?«
    »Ist mir scheißegal. Ich kann nicht.«
    »Hat sie dich nach Hause beordert?«
    »Wir haben ein Problem.«
    »Was für eins?«
    Das Wort ›privat‹ gehörte nicht zu Mos Wortschatz.
    »Es geht um Adam«, sagte Mike.
    »Mein Patensohn? Was ist mit ihm?«
    »Er ist nicht dein Patensohn.«
    Mo war nicht Adams Patenonkel geworden, weil Tia es nicht zugelassen hatte. Das hatte Mo aber nicht davon abgehalten, sich als solchen zu betrachten. Bei der Taufe war Mo in der Kirche tatsächlich mit nach vorne gegangen und hatte sich neben Tias Bruder, den eigentlichen Patenonkel gestellt. Mo hatte ihn nur finster angestarrt, worauf Tias Bruder kein Wort gesagt hatte.
    »Und
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