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Shane - Das erste Jahr (German Edition)

Shane - Das erste Jahr (German Edition)

Titel: Shane - Das erste Jahr (German Edition)
Autoren: Julia von Rein-Hrubesch
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noch immer das Adrenalin, es hielt ihr die Augen offen wie ein starker Kaffee. Doch ihr Verstand war müde, ihre Gedanken schwammen wie in einem trüben See, und sie versuchte gar nicht erst, nach einem von ihnen zu fischen. Langsam fuhr sie sich über den linken Arm.  Heute, an diesem Tag, in diesem Augenblick war sie froh darüber, dass es noch Winter war, so konnte sie ihren geschundenen Körper verdecken. Die blauen Flecke waren das eine, doch der lange Kratzer, der sich über Bein zog, das andere. Kratzer? Na Shane, heute untertreiben wir ja wieder ganz schön!
    Das Blut war an ihrem Bein heruntergelaufen und hatte die Innensohle des Stiefels rot gefärbt, eine tiefe Fleischwunde war Zeuge, wie sie sich das Bein aufgerissen hatte, als sie über das Loch, welches sich in der Bibliothek aufgetan hatte, gesprungen war.
    Sie wusste nicht, wie sie die Wunden vor der Mutter verbergen sollte, doch sie spürte, dass sie ihren Verstand nicht überfordern durfte. Sie musste sich ausruhen, unbedingt, sonst würde sie verrückt werden.
    Shane runzelte die Stirn, und das kam nicht von ihren wirren Gedanken oder von den Erinnerungen an die letzte Nacht, sondern davon, was eben die Lindenbaum gesagt hatte.
    „Der Unterricht bei Herrn Schmauss wird für die nächsten Wochen nicht stattfinden, liebe Kinder.“ Ein Raunen ging durch die Klasse.
    „Das heißt, der Unterricht findet natürlich statt, jedoch bei einer anderen Lehrkraft.“
    Ein Finger schoss in die Höhe. Die Lindenbaum, die sich verkrampft die Hände rieb, nickte in die Richtung. „Ja, Katharina?“
    „Ist Herr Schmauss krank?“
    Die Lehrerin nickte eilig. „Ja, er ist einige Wochen krankgeschrieben.“
    Shane runzelte die Brauen und aus dem Augenwinkel konnte sie sehen, dass Maria es ebenfalls tat und somit das gleiche dachte wie sie selbst: Die Lindenbaum log.
     
    Der junge Mann war von dem Schreibtisch aufgestanden, hatte den anderen zugenickt und war zur Tür hinausgegangen. Nun hielt er inne und ging langsam ein paar Schritte zurück.
    Der alte Jäger stand neben dem Türrahmen, lehnte sich fast dagegen.
    Der neue Anführer blieb neben dem Alten stehen und beugte sich soweit zur Seite, dass er ihm leise ins Ohr flüstern konnte.
    „So was wie eben mache ich nicht gerne. Nicht, wenn es nicht unbedingt sein muss. Du hast mir keine andere Wahl gelassen, und wenn ich noch einmal dieses scheiß Gerede über das Unmögliche höre, tue ich es wieder, verstanden?“
    Der alte Jäger nickte nur stumm.
    „Ach, und noch etwas: Ich werde keine Alleingänge mehr dulden. Ich weiß, ich bin noch nicht gewählt, doch sollte noch einmal sowas stattfinden wie neulich Nacht, dann wird es Ärger geben. Mächtigen Ärger.“
    Der neue Anführer blickte den Alten nicht an, er hob einfach den Kopf und ging davon.
     
    „Angst vor der Flut.
    Das überraschend einsetzende Tauwetter, mit dem nicht einmal die Meteorologen gerechnet haben, zwingt den Bürgermeister zu neuem Handeln.
    Die Stadt zeigt sich den gewaltigen Wassermassen so unvorbereitet, wie sie es nur sein kann. Waller schien bereits in den vergangenen Wochen überfordert angesichts der Brutalitäten in der Stadt, hinzu kam der extreme Winter mit Schneefall wie es ihn seit Jahrzenten nicht mehr gegeben hat.
    Nun fordern die Bürger eine bessere Organisation von Vorsorgemaßnahmen für ihre Stadt.“
     
    Shane saß am Tisch und stocherte in ihrem Essen herum.
    Gertie hatte sie die letzten beiden Tage nicht mehr aus den Augen gelassen, doch nun schien etwas, was in der Zeitung stand, ihre Aufmerksamkeit gefesselt zu haben.
    Shane wusste, dass sie sich ruhig verhalten musste. Das dürfte kein Problem sein, jedenfalls nicht so lange, bis sie das Buch durchgelesen hatte. Was danach geschehen würde, sah sie nur von grauem Nebel umhüllt in ihrem Kopf stehen, doch es wurde von Tag zu Tag deutlicher.
    „Jetzt schau dir das an!“, entfuhr es der Mutter, die sich mit an den Tisch gesetzt hatte.
    Shane blickte überrascht auf und betrachtete die Zeitung, welche Gertie ihr entgegenhielt.
    „Die Flut kommt!“, stand in fetten Buchstaben auf der Titelseite.
    „Weißt du, was das heißt?“, fragte die Mutter unwirsch. „Ich werde in den nächsten Wochen noch weniger Häuser verkaufen!“
    „Was macht denn der Bürgermeister, um die Stadt zu schützen?“, fragte Shane. Die Mutter hob die Schultern. „Keine Ahnung. Dein Vater und ich gehen jedenfalls am Wochenende raus an den Stadtrand, um Sandsäcke zu verteilen. Ich
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