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Serafina - Das Königreich der Drachen - Wie alles begann ... (German Edition)

Serafina - Das Königreich der Drachen - Wie alles begann ... (German Edition)

Titel: Serafina - Das Königreich der Drachen - Wie alles begann ... (German Edition)
Autoren: Rachel Hartman
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nacheinander jedes Detail meiner Person auf einer Liste abzuhaken. Zwei Arme: vorhanden. Zwei Beine: unklar aufgrund der Länge des Überkleids, aber wohl vorhanden. Zwei Augen, rehbraun: vorhanden. Haar von der Farbe schwarzen Tees, schaut unter der Kapuze hervor: vorhanden. Brüste: nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Groß gewachsen, aber noch im üblichen Rahmen. Wangen gerötet, aus Wut oder Verlegenheit: unübersehbar.
    »Hm«, sagte sie. »Es ist gar nicht so grässlich, wie ich es mir immer vorgestellt habe.«
    Orma, gepriesen sei sein wenig empfindsames Drachengemüt, fühlte sich bemüßigt, Eskar zu verbessern. »Es ist eine Sie.«
    »Ist es denn nicht unfruchtbar wie ein Maultier?«
    Mein Gesicht lief so heiß an, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn meine Haare in Flammen aufgegangen wären.
    »Sie«, bekräftigte Orma. Als habe er am Anfang nicht denselben Fehler gemacht. »Alle Menschen gebrauchen ein persönliches Fürwort, das ihr Geschlecht bezeichnet, ganz gleich, wie fortpflanzungsfähig sie sind.«
    »Andernfalls wird es als Beleidigung aufgefasst«, sagte ich mit einem aufgesetzten Lächeln.
    Eskar verlor das Interesse an mir und wandte sich ab. Ihre Untergebenen kamen vom anderen Ende der Brücke zurück und führten Saar Basind auf einem widerspenstigen Pferd hinter sich her.
    Staatssekretärin Eskar bestieg ihren eigenen Rotbraunen, ließ ihn in einem engen Kreis wenden und gab ihm die Sporen, ohne mich oder Orma noch eines Blickes zu würdigen. Ihre Begleiter beeilten sich, ihr zu folgen.
    Als sie an uns vorbeikamen, ruhte Basinds wirrer Blick ungebührlich lange auf mir, was mich mit jähem Widerwillen erfüllte. Orma, Eskar und die anderen hatten gelernt, nicht aufzufallen, er jedoch führte unmissverständlich vor Augen, wie sein wirkliches Wesen war. Sein Blick war alles andere als menschlich.
    »Das war sehr erniedrigend«, sagte ich zu Orma, der geistesabwesend vor sich hin starrte.
    Meine Worte rissen ihn aus seinen Gedanken. »Tatsächlich?«
    »Was hast du dir dabei gedacht, ihr von mir zu erzählen?«, fragte ich ihn. »Ich bin zwar nicht mehr unter der Fuchtel meines Vaters, aber die alten Regeln gelten immer noch. Wir können nicht wahllos ausplaudern –«
    »Ach«, sagte er und hob seine schlanke Hand, um meinen Einwand abzuwehren. »Ich habe ihr nichts gesagt. Eskar wusste es schon immer. Sie war eine der Zensoren.«
    Bei seinen Worten drehte sich mir fast der Magen um; die Zensoren gehörten einer Behörde der Drachen an, die niemandem Rechenschaft schuldete als sich selbst. Sie überwachten die Saarantrai auf abartige Verhaltensweisen und unterzogen regelmäßig Drachen einer sogenannten Exzision, sobald sie verdächtigt wurden, Gefühle an den Tag zu legen. Eben jene Gefühle und alle damit verbundenen Erinnerungen wurden dabei getilgt. »Na wunderbar. Und was hast du diesmal gemacht, um die Aufmerksamkeit der Zensoren auf dich zu lenken?«
    »Nichts«, beteuerte er eilig. »Sie ist ja auch keine Zensorin mehr.«
    »Und ich dachte schon, sie sind hinter dir her, weil du mir eventuell Zuneigung entgegenbringen könntest«, sagte ich und fügte beißend hinzu: »Andererseits hätte ich das ja wohl als Erste bemerken müssen.«
    »Ich bringe dir ein gebührendes Interesse entgegen, das sich im Rahmen der allseits anerkannten Gefühlsregungen hält.«
    Das wiederum schien mir leicht übertrieben zu sein.
    Man musste ihm allerdings zugutehalten, dass er immerhin im Laufe der Jahre bemerkt hatte, wie empfindlich ich auf dieses Thema reagierte. Nicht jeder Saar hätte sich darüber Gedanken gemacht. Er fing an zu zappeln, wie immer, wenn er mit einer Situation überfordert war. »Kommst du diese Woche zum Unterricht?«, fragte er und brachte damit die Sprache wieder auf ein unverfängliches Thema.
    Ich seufzte. »Natürlich. Und du sagst mir jetzt, was dieses Kind dir gegeben hat.«
    »Du glaubst, da gäbe es etwas zu erzählen«, sagte er ausweichend, fasste sich dabei jedoch an seine Brusttasche, wo er das Goldstück aufbewahrt hatte. Ich machte mir Sorgen, aber ich wusste, dass es keinen Sinn hatte, ihn zu drängen. Sollte es etwas zu sagen geben, würde er es mir sagen, wenn er Lust dazu hatte.
    Er verbeugte sich, wie immer wenn er sich von mir verabschiedete. Dann drehte er sich wortlos um und schlug den Weg zur Kathedrale ein. Ihre Außenmauern erstrahlten rotgolden in der untergehenden Sonne. Orma warf einen großen dunklen Schatten an die Wand. Ich wartete, bis er
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