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Sein Bruder Kain

Sein Bruder Kain

Titel: Sein Bruder Kain
Autoren: Anne Perry
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auf, ihre Augen waren weit aufgerissen und ihr Blick direkt. »Ich muß es wissen. Bitte, lassen Sie nichts unversucht, wenigstens nicht, solange ich die Mittel habe, Sie für Ihre Bemühungen zu entlohnen. Um meiner Kinder willen und auch um meinetwillen muß ich wissen, was Angus zugestoßen ist.« Sie hielt inne. Sie wollte sich nicht wiederholen und auch nicht um ein Mitleid bitten, das über seine Dienste, die sie bezahlen konnte, hinausging. Sie stand sehr aufrecht in dem Zimmer, das er nur vage als einen eleganten Raum hinter ihr wahrnahm. Nicht einmal die Asche bemerkte er, die im Kamin langsam in sich zusammenfiel.
    Nicht nur um ihretwillen, sondern auch um des Mannes willen, dessen Frau und Heim er hier vor sich sah, würde er keinen Augenblick zögern, sich mit ganzem Herzen der vor ihm liegenden Aufgabe zu widmen.
    »Ich werde alles tun, was in meiner Kraft steht, Mrs. Stonefield, das verspreche ich Ihnen«, antwortete er. »Dürfte ich meine Arbeit jetzt fortsetzen, indem ich mit einigen Ihrer Diener spreche, denen zum Beispiel Briefe oder Besuche aufgefallen sein könnten?«
    Sie schien verwirrt, und eine Spur von Desillusionierung überschattete kurz ihren Blick.
    »Wie könnte Ihnen das weiterhelfen?«
    »Das tut es vielleicht nicht«, räumte er ein. »Aber ohne irgendwelche Hinweise darauf, daß einige der offensichtlicheren Lösungen nicht zutreffen, kann ich die Flußpolizei nicht darum bitten, eine Durchsuchung des Hafenviertels oder des Bezirks, in dem Caleb ihrer Aussage nach lebt, einzuleiten. Wenn er seinen Bruder wirklich getötet hat, werden wir ihm das nicht so einfach nachweisen können.«
    »Oh…« Sie atmete mit einem kleinen Stoßseufzer aus.
    »Natürlich.« Sie war sehr bleich. »Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Ich bitte um Entschuldigung, Mr. Monk. Ich werde mich nicht noch einmal einmischen. Mit wem möchten Sie gern beginnen?«
    Den Rest des Nachmittags und die frühen Abendstunden verbrachte er mit der Befragung des Personals, angefangen vom Butler und der Köchin bis hin zum Hausmädchen und Stiefelknecht, und er erfuhr nichts, was seinen ersten Eindruck widerlegt hätte. Angus Stonefield war ein gewissenhafter und erfolgreicher Mann von exzellentem Geschmack und sehr normalen Gewohnheiten und seiner Frau, mit der er fünf Kinder im Alter von drei bis dreizehn Jahren hatte, treu ergeben.
    Der Butler hatte von einem Bruder namens Caleb gehört, diesen aber nie gesehen. Er wußte nur, daß Mr. Stonefield ziemlich regelmäßig ins East End fuhr, um diesen Bruder zu besuchen, und daß er vor diesen Ausflügen nervös und unglücklich und bei seiner Rückkehr traurig wirkte. Fast immer hatte er bei diesen Gelegenheiten Verletzungen sowie schwere Beschädigungen an seiner Kleidung davongetragen, die manchmal gar nicht mehr zu reparieren gewesen waren. Mr. Stonefield hatte sich geweigert, einen Arzt hinzuzuziehen, und darauf bestanden, daß die Angelegenheit verschwiegen wurde, und Mrs. Stonefield hatte sich dann um ihn gekümmert. Nichts von alledem erklärte, wo Angus Stonefield sich jetzt aufhielt oder was ihm zugestoßen sein könnte. Selbst seine persönliche Habe und die wenigen Briefe in der oberen Schublade seiner Kommode waren wohlgeordnet.
    »Haben Sie irgend etwas in Erfahrung gebracht?« fragte Genevieve, als er noch einmal in den Salon zurückkehrte, um sich von ihr zu verabschieden.
    Er hätte sie nur ungern enttäuscht, aber in ihrem Gesicht lag ohnehin keine Hoffnung.
    »Nein«, gestand er. »Es war lediglich ein Weg, den ich nicht unerkundet lassen durfte.«
    Sie schaute auf ihre Hände herab, die sie vor ihrem Kleid ineinander verschränkt hielt, der einzige Hinweis auf die Gefühle, die in ihr tobten.
    »Ich habe heute einen Brief von Angus' Vormund, Lord Ravensbrook, erhalten, der mir anbietet, uns beizustehen, bis wir… bis… vielleicht möchten Sie feststellen, ob er Ihnen… helfen… kann, mit Informationen, meine ich.« Sie blickte zu ihm auf. »Ich habe Ihnen seine Adresse aufgeschrieben. Ich bin sicher, er wird Sie empfangen, wann immer es Ihnen beliebt, bei ihm vorzusprechen.«
    »Werden Sie sein Angebot annehmen?« fragte er eindringlich. Sobald er seine Frage gestellt hatte, sah er, wie ihre Miene sich verdüsterte, und wußte, daß er zu aufdringlich gewesen war. Das ging ihn nichts an. Sie hatte versprochen, ihn zu bezahlen, und er fragte sich nun, ob sie etwa annahm, daß er sich um sein Honorar sorgte und deshalb gefragt hatte.
    »Nein«,
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