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Seelenkuss / Roman

Seelenkuss / Roman

Titel: Seelenkuss / Roman
Autoren: Sharon Ashwood
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heben. »Was ist mit Ihnen?«
    »Nein.«
    Eine Weile lagen sie still da, atmeten möglichst flach und lauschten in die dunkle Frühlingsnacht.
    »Gibt es jemanden, der Sie dringend umbringen will?«, fragte sie.
    »Nicht außerhalb der Burg.«
    Seine Augen funkelten. Es hätte Humor gewesen sein können, aber das wusste Ashe nicht genau. Er war ihr zu nahe, zu anders. Dieser Mann hatte etwas von einer Karte ohne Straßennamen oder Gebäudesymbole: nichts als eine Menge richtig nette Geographie.
    Ashe schluckte, um ihren Vorschlaghammerpuls zu bändigen. »Dann muss der Schütze hinter mir her sein.«
    »Kommt dergleichen häufiger vor?«
    »Nicht mehr, seit ich nach Fairview gezogen bin.«
Mist. Mist!
Das sollte doch alles der Vergangenheit angehören! Sie war sesshaft geworden, hatte das Leben auf der Straße und die Jagd bis auf hin und wieder mal einen kleinen Fall aufgegeben. Außerdem hatte sie überall herumerzählen lassen, dass sie im Ruhestand war. Klar gab es immer wieder den einen oder anderen ungemütlichen Zeitgenossen, beispielsweise Freunde und Verwandte von übernatürlichen Monstern, die sie exekutiert hatte, aber selbst die waren ruhiger geworden.
    Ruhig genug, dass Ashe riskiert hatte, ihre Tochter zu sich zu holen.
    Mist!
    Sie kroch rückwärts in den Schatten eines dichteren Busches. Dort erhob sie sich in die Hocke, wobei sie ihre Haltung der Form des Gebüsches anpasste und sich in dem dichten Blattwerk versteckte. Sie riet, aus welcher Richtung die Schüsse gekommen waren. Ihrer Einschätzung nach musste der Schütze hoch oben auf der Felssäule in der Mitte des Aussichtspunkts lauern. Ashe wusste, dass es dort eine fast vertikale Treppe gab, die auf eine Plattform in der Mitte führte. Sie war nachts nicht beleuchtet. Alles, was Ashe sehen konnte, war der dunkle Steinpfahl, der die Sterne dahinter verdeckte.
    Reynard kam gespenstisch leise an ihre linke Seite. Büschel dunklen Haars umrahmten sein Gesicht. Der Knoten seines Halstuchs hatte sich gelöst. Ashe konnte nicht umhin, zu bemerken, dass ihm dieser leicht verwahrloste Look gut stand.
    Er kauerte auf einem Knie, die lange Muskete aufgestellt. »Bleiben Sie unten!«, sagte er leise. »Ich kümmere mich um diese Angelegenheit.«
    Ungeduld brannte säuerlich in Ashes Kehle. »Auf diese Entfernung können Sie unmöglich treffen.«
    »Nein?« Da war wieder der Sarkasmus.
    »Es ist dunkel.«
    »Ich lebe in einem Kerker. Ich bin an die Dunkelheit gewöhnt.« Er blickte so selbstsicher den Lauf seines Gewehrs hinunter, als hätte er eines dieser supertollen Nachtsichtgeräte, die Ashe in der letzten Söldnerzeitschrift entdeckt hatte.
    Sie vergeudeten ihre Zeit. Zu schießen würde höchstens ihre Position verraten. Sie sollten sich lieber an den Heckenschützen anschleichen. »Das Ding hat eine Reichweite von zwei Fuß – zwei
krummen
Fuß.«
    Er seufzte verhalten und zog den Bolzen zurück. In diesem Moment sah sie, dass der Mechanismus dieses Sammlerstücks tatsächlich mit einer echten Lunte funktionierte. Göttin! Die Muskete arbeitete mit Funken und nacktem Schießpulver. Sie hatten Glück, wenn ihnen das Ding nicht um die Ohren flog!
    »Sie werden nicht erwarten, dass wir das Feuer erwidern«, entgegnete er ruhig.
    »Klar nicht, weil wir nicht können! Ich besitze eine richtige Waffe, und nicht mal ich kann auf diese Entfernung etwas ausrichten!«
    Reynard ignorierte ihren Einwand komplett, drückte den Abzug und ruckte mit dem Rückstoß zurück. Es gab einen Knall wie aus einer gigantischen Spielzeugpistole und roch nach einem missglückten Chemieversuch. Ashe öffnete den Mund, um zu protestieren, was keine gute Idee war, denn nun kriegte sie eine Ladung von dem fauligen Qualm in den Rachen.
    Ehe sie einen Ton herausbrachte, hörte sie einen grellen Schmerzensschrei aus der Ferne. Reynard hatte getroffen.
    »Das ist nicht wahr!« Ihr war bewusst, wie verärgert sie klang.
    Er gab einen Laut von sich, der sich beinahe wie ein Lachen anhörte. »Nur ein Hauch Zauber. Ich dachte, Hexen wären offen für Magie.«
    »Ich bin keine Hexe mehr.«
    Er warf ihr einen Blick zu, nahm seine Muskete und entschwand in die Dunkelheit. Fluchend lief Ashe ihm nach. Der Eingang zu den Treppen lag auf der anderen Seite der hohen Felssäule, so dass sie das untere Ende einmal umrunden mussten. Die farbigen Lichter in den Blumenbeeten flogen vorbei und endeten, sobald sie den Fußweg verließen. Ashe stolperte und wäre auf die Knie gefallen, hätte
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