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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger
Autoren: Andreas Brandhorst
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das sein mochte. Diese Freiheit hatte man selbst dann, wenn man Fesseln trug, an Körper oder Geist.
    »Was ist los?«, fragte Penelope mit neuer Hoffnung. »Warum lächelst du?«
    Zacharias ließ die Hand sinken.
    Penelope atmete erleichtert auf. »Endlich hast du ver standen.«
    »Ja«, sagte Zacharias. »Ich habe verstanden, endlich.«
    Er ergriff Penelopes Hand und trat mit ihr durch die weiße Tür. Aber im selben Moment änderte er die Verbindung; der Schritt über die Schwelle führte sie nicht nach Lassonde.

Entfesselt
    E rinnerst du dich an diesen Ort?«, fragte Zacharias. »Hier sind wir uns zum ersten Mal begegnet.«
    »Was bedeutet das?« Penelope drehte sich um, sah zur Hütte auf der Kuppe des Hügels, über das sich im Wind wiegende Gras und die gelbbraune Dünenlandschaft der Wüste. Auf der einen Seite ging die Sonne unter, in einem blutigen Rot, und auf der anderen stieg ein Mond über den Horizont, größer als der Mond der Erde, aber ebenso zernarbt von Meteoriten- und Asteroideneinschlägen.
    »Es bedeutet, dass es vorbei ist«, sagte Zacharias, beobach tete den Mond und fragte sich, ob dieser Space ebenso groß war wie der der Erde, ob er ein ganzes Universum umfasste, Milliarden von Lichtjahren tief. Wo lag die Grenze all der Welten, wenn es überhaupt eine gab? Und dies alles steht uns zur Verfügung, dachte er. Wir können es formen, es unseren Wünschen anpassen. Platz genug nicht nur für uns alle, sondern auch für alle unsere Wünsche und Hoffnungen. Platz genug, damit jeder von uns glücklich werden kann. Und ging es letztendlich nicht darum, ein erfülltes, glückliches Leben zu führen? Ohne Grenzen, ohne Fesseln.
    »Wir haben immer nach Göttern gesucht«, murmelte Zacharias. »Und jetzt beginnen wir langsam zu verstehen, dass wir selbst die Götter sind.«
    »Die Maschinen werden es nicht zulassen!«, rief Penelope. Der warme Wind spielte mit dem weißen Kleid, das sie hier trug. »Sie werden ihre Welten bauen, mit den Menschen als ihren Dienern!«
    »Nein, wir werden nebeneinander leben, Mensch und Maschine.« Nicht wie Matthias und Lily, fügte Zacharias in Gedanken hinzu, aber vielleicht so ähnlich, in einer Beziehung, in der jeder eine Bereicherung des anderen darstellt. Und wenn das nicht funktioniert, wenn wir zu verschieden sind … Dann gehen wir eben getrennte Wege. Der Space ist groß genug; er hat auch Platz für die Fantasie von Maschinen.
    Er hörte, wie Penelope in schneller Folge Pings in den Äther dieser Welt sandte. Sie bekam keine Echos, und das gefiel ihr nicht.
    »Du willst mich hier zurücklassen!«, rief Penelope. »Dies soll ein Gefängnis für mich sein.«
    »Du wolltest mich an diesem Ort gefangen halten«, erwiderte Zacharias. »Jetzt bleibst du hier. Bis wir entschieden haben, was aus dir werden soll.«
    Sie versuchte es noch einmal. Sie versuchte, die Schlange zu erreichen, die zuvor in Zacharias’ Herz gekrochen war, das Gift in seiner Seele. Sie versuchte, eine andere Backdoor zu öffnen, eine Hintertür in seinem Bewusstsein. Aber sie war verschlossen, er hatte sie schon vor einer ganzen Weile verriegelt; Penelope konnte ihn nicht mehr erreichen.
    Sie stand dicht vor ihm, plötzlich in Tränen aufgelöst wie ein kleines Mädchen, und schlug ihm mit beiden Fäusten auf die Brust. Er wich nicht zurück, nicht einen Zentimeter. Dieser Körper hätte viel mehr ertragen als solche Schläge. Er nahm sie wie ein Ehrenzeichen, denn sie bedeuteten, dass er kein Mörder war.
    »Du bleibst hier, bis wir entschieden haben, was aus dir werden soll«, bekräftigte er. »Aus dir und all den Menschen, die du aufgenommen hast, aus all den Seelen, die du in dir trägst.«
    »Du wirst es bitter bereuen!«, rief Penelope. »Ihr alle! Ihr werdet es bereuen!«
    Ich bereue nichts, dachte Zacharias, als er sich abwandte. Meine Aufgabe bestand darin, dich umzubringen, dich aus den Mustern zu entfernen. Aber ich bin kein Mörder. Ich will und werde nie einer sein. Ich will leben, kein Leben zerstören.
    Mit einem letzten Blick auf die weinende Penelope verließ er die Welt des Hügels mit der Holzhütte und …
    … erreichte einen Ort, den er bisher nur gestreift hatte, der ihn jetzt aber festhielt, weil es eine Lücke zu füllen galt.

Wissendes Nichts
    E s war ein Ort im Nichts, zwischen den Welten gelegen, vielleicht eine Ritze zwischen zwei Pixeln des Grundmusters, das über die Beschaffenheit der Welten befand, so wie die Gussform das Aussehen des gegossenen Objekts
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