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Seelen

Titel: Seelen
Autoren: Stephenie Meyer
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und Wimpern sind von der Sonne ausgebleicht.
    Aber das ist es nicht, was er mir zeigt.
    In seinen Augen, die in dieser Beleuchtung von einem hellen, glänzenden Gelbbraun sind, spiegelt sich nichts als menschliches Funkeln. Er wechselt mit dem Lichtstrahl von einem Auge zum anderen.
    »Siehst du? Siehst du? Ich bin genau wie du.«
    »Zeig mir deinen Nacken.« Meine Stimme ist voller Misstrauen. Ich lasse den Gedanken nicht zu, dass das hier mehr ist als ein Trick. Ich verstehe nicht, was hinter diesem Theater steckt, aber ich bin sicher, irgendeinen Grund wird er dafür haben. Es gibt keine Hoffnung mehr.
    Seine Mundwinkel verziehen sich. »Nun ja … Das wird nicht wirklich viel helfen. Reichen dir die Augen nicht? Du weißt, dass ich keiner von denen bin.«
    »Warum willst du mir dann deinen Nacken nicht zeigen?«
    »Weil ich dort eine Narbe habe«, gibt er zu.
    Ich versuche erneut, mich unter ihm hervorzuwinden, und seine Hände drücken meine Schultern zu Boden.
    »Ich habe sie mir selbst zugefügt«, erklärt er. »Ich glaube, ich habe es ziemlich gut hingekriegt, obwohl es höllisch wehgetan hat. ›Ich‹ habe schließlich nicht so viele schöne Haare, um meinen Nacken zu verdecken. Es hilft mir, nicht aufzufallen.«
    »Geh runter von mir.«
    Er zögert, dann steht er mit einer geschmeidigen Bewegung auf, ohne sich mit den Händen abstützen zu müssen. Er streckt mir eine geöffnete Hand entgegen.
    »Bitte lauf nicht weg. Und, äh, ich wäre dir auch dankbar, wenn du mich nicht noch mal treten würdest.«
    Ich rühre mich nicht. Ich weiß, dass er mich kriegen kann, wenn ich versuche wegzulaufen.
    »Wer bist du?«, flüstere ich.
    Er lächelt strahlend.
    »Ich heiße Jared Howe. Ich habe seit über zwei Jahren mit keinem anderen Menschen gesprochen, weshalb ich dir sicher ein bisschen … verrückt vorkomme. Bitte verzeih mir und sag mir trotzdem, wie du heißt.«
    »Melanie«, flüstere ich.
    »Melanie«, wiederholt er. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue, dich kennenzulernen.«
    Ich umklammere meine Schultertasche und lasse ihn keine Sekunde aus den Augen. Langsam kommt er mir mit seiner Hand entgegen.
    Und ich nehme sie.
    Erst als ich sehe, wie meine Hand sich um seine schließt, wird mir bewusst, dass ich ihm glaube.
    Er hilft mir auf die Füße und lässt meine Hand nicht los, als ich stehe.
    »Was jetzt?«, frage ich unsicher.
    »Hier können wir nicht lange bleiben. Kommst du noch mal mit mir ins Haus? Meine Tasche ist noch drinnen. Du warst schneller am Kühlschrank als ich.«
    Ich schüttele den Kopf.
    Er scheint zu merken, wie fragil ich bin, wie nah am Zusammenbruch.
    »Wartest du dann hier auf mich?«, fragt er mit sanfter Stimme. »Ich beeile mich auch. Aber ich will uns noch mehr zu essen holen.«
    »Uns?«
    »Glaubst du wirklich, ich lasse dich jetzt wieder weg? Ich bleibe dir auf den Fersen, ob du willst oder nicht.«
    Ich will nicht weg von ihm.
    »Ich …« Muss ich einem anderen Menschen nicht einfach bedingungslos vertrauen? Wir sind doch eine Familie - beide Teil einer vom Aussterben bedrohten Bruderschaft. »Ich habe keine Zeit. Es ist noch so weit und … Jamie wartet auf mich.«
    »Du bist nicht allein«, stellt er fest. Sein Gesichtsausdruck lässt zum ersten Mal Unsicherheit erkennen.
    »Mein Bruder. Er ist noch ein Kind und er hat immer solche Angst, wenn ich weg bin. Ich brauche die halbe Nacht für den Rückweg. Er wird sich schon fragen, ob ich geschnappt worden bin. Und er hat so großen Hunger.« Wie um Letzteres zu unterstreichen, knurrt mein Magen laut.
    Jareds Lächeln kehrt zurück, noch strahlender als vorher. »Würde es dir weiterhelfen, wenn ich dich fahre?«
    »Wenn du mich fährst?«, wiederhole ich.
    »Ich mache dir einen Vorschlag. Du wartest hier, bis ich noch mehr Essen zusammengesucht habe, und anschließend bringe ich dich in meinem Jeep, wohin du willst. Das geht schneller als rennen - sogar schneller, als wenn ›du‹ rennst.«
    »Du hast ein Auto?«
    »Natürlich. Glaubst du etwa, ich wäre zu Fuß hier hergekommen?« Ich denke an die sechs Stunden, die ich gebraucht habe, um hierherzulaufen, und runzele die Stirn.
    »Wir sind in null Komma nichts zurück bei deinem Bruder«, verspricht er. »Rühr dich nicht vom Fleck, okay?«
    Ich nicke.
    »Und iss bitte was. Nicht, dass dein Magen uns noch verrät.«
    Er grinst und um seine Augen herum entstehen kleine Lachfältchen - feine Linien, die sich fächerförmig von den Augenwinkeln aus
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