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S.E.C.R.E.T.

S.E.C.R.E.T.

Titel: S.E.C.R.E.T.
Autoren: L. Marie Adeline
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Mädchen hatten sich allesamt davor versammelt und nahmen letzte Verbesserungen an Kostümen, Haar und Make-up vor. Ich stand zwischen ihnen, war ihnen gleich, nicht besser und nicht schlechter, einfach nur eine Frau, die Freude an ihrem Körper hatte. In diesem Augenblick bahnte sich Steamboat Betty energisch ihren Weg nach vorn, um dort mit aggressiver Geste ihre Brüste im Mieder zurechtzurücken.
    »Die Mädchen sind heute Abend etwas unruhig«, sagte sie, wobei sie wahrscheinlich nicht Les Filles meinte.
    Kit und Angela strahlten mich an wie stolze Glucken. Dann streckten sie ihre armbandgeschmückten Handgelenke in die Höhe und winkten mir zu. Ich erwiderte ihren Gruß, und das allgemeine Geklingel war Musik in meinen Ohren.
    Die Band begann zu spielen. Ich hörte, wie der Moderator die diesjährige Revue ankündigte und die Männer daran erinnerte, »großzügig zu spenden«, sich aber respektvoll zu verhalten, »sonst werdet ihr hochkant rausgeworfen«.
    Angela schrie: »Beeil dich, Cassie, wir sind dran!«
    Ich holte noch einmal tief Luft und blickte mich unter den anderen Mädchen um. Jede von uns war auf ihre einzigartige Weise schön, mit unseren Perücken, Muttermalen und anderen falschen Accessoires. Jede von uns spielte eine andere Version ihrer selbst, eine übertriebene, andersartigere und gewagtere Variante. Vielleicht tun das alle Frauen hin und wieder. Hinter unserer Alltagsfassade verbergen sich bei uns allen die gleichen Nöte und Ängste. Angela kannte sie wohl auch, Kit ebenfalls. Aber wenn ich sie mir jetzt so ansah, konnte ich mir einfach nicht vorstellen, dass sie irgendwann einmal starr vor Angst vor der roten Tür des Kutschenhauses stehen geblieben waren. Ich war erfüllt von Dankbarkeit – und von Hoffnung: Wenn sie ihre Ängste hinter sich lassen konnten, dann konnte ich das auch. Ich musste nur daran glauben.
    Ich machte die ersten Schritte. Ich fand das richtige Tempo, zählte laut den Takt mit, bis wir auf die Bühne preschten, mit den behandschuhten Händen winkend wie Tänzerinnen in einer Bob-Fosse-Choreographie.
    Die Menge, die hinter den hellen Scheinwerfern im Dunkeln verborgen saß, spielte komplett verrückt. Das bescherte den Tänzerinnen einen kollektiven Adrenalinschub, der auch mich erfasste.
    »Siehst du?«, flüsterte Angela. »Ich hab dir doch gesagt, dass sie dich lieben werden!«
    Die ersten Minuten des Tanzes verschwanden im Nebel, während meine Augen sich an das grelle Licht zu gewöhnen versuchten. Immer wieder rief ich mir ins Gedächtnis, dass niemand mich erkannte, mich, die farblose Cassie aus dem Café Rose.
    Wir tanzten paarweise. Meine Maske machte es mir leichter, Angelas Beispiel zu folgen. Ich wandte meinen Rücken der Menge zu und ließ den Hintern hin und her schwingen. Die Trommeln gaben den Takt für unsere Bewegungen vor. Sie war meine Partnerin, und es war so aufregend, die eigenen Moves der heißen Musik und der schönen Angela Rejean anzupassen, dass ich mich entspannte und zu improvisieren begann. Irgendwann schüttelte ich meinen Hintern so heftig, dass Angela den Kopf zurückwarf und einen Schrei ausstieß. Als sie sich dann umwandte und plötzlich von der Bühne in die Menge hineintänzelte, folgte ich ihr, ohne nachzudenken. Ich imitierte sie, wie sie nach einer Krawatte griff und sie einem Mann über die Schulter warf, wie sie sein Haar zerzauste oder vielleicht auch das Haar seiner Frau. Die Frauen im Saal amüsierten sich genauso wie die Männer. Unsere Ausgelassenheit veranlasste sie, aufzustehen und ihren eigenen Shimmy zu tanzen. Einige von ihnen waren Touristen, die sich freuten, dieses einheimische Fest zufällig miterleben zu können. Aber ich erkannte auch viele Stammgäste des Cafés: die Musiker, Ladenbesitzer und Exzentriker, die diesem Kleinod der Schönheit in unserer ramponierten und gebeutelten Stadt zujubelten.
    Angela und ich tanzten nun im Kickstep, den wir für die Menge eingeübt hatten. Dann zwinkerte sie mir zu und flüsterte: »Mach mit, Cass.« Sie wirbelte herum, warf mir die pinkfarbene Federboa um den Hals und zog mich für einen intensiven Kuss zu sich heran.
    Explosionsartiger Beifall und Jubelrufe folgten, als Angelas Lippen auf meinen lagen. Sie krönte den Kuss mit einer dramatischen Handbewegung und stieß mich dann wieder zurück. Meine Knie zitterten. Ich bemühte mich, meinen einstudierten Zweier-Schritt beizubehalten, wobei ich der Menge die Strumpfbänder an meinen Oberschenkeln zeigte. Aber ihr
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