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SdG 04 - Die eisige Zeit

SdG 04 - Die eisige Zeit

Titel: SdG 04 - Die eisige Zeit
Autoren: Steven Erikson
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zusammengeknotete Stoffstreifen, ein von der Strömung irgendeines Flusses glatt geschliffener Kieselstein, Waffen ohne jede Verzierung – die Art, die man auf jedem beliebigen Markt in jeder beliebigen Stadt kaufen kann.« Er schwieg einen Augenblick und fuhr dann fort: »Und ich erinnere mich, dass ich mich beim Anblick der Toten gefragt habe: Wie war ihre Lebensgeschichte? Wie haben ihre Träume ausgesehen? Wonach haben sie sich gesehnt? Werden ihre Verwandten sie wohl vermissen? Die Mhybe hat einmal erzählt, dass die Rhivi es übernommen haben, die gefallenen Tiste Andii zu bestatten … nun, wir haben das Gleiche getan, damals, im Schwarzhundwald. Wir haben die Soldaten mit ein paar Fußtritten in den Hintern davongejagt. Wir haben Eure Toten begraben, Korlat. Haben ihre Seelen auf malazanische Weise davongeschickt …«
    Sie musterte ihn mit unergründlichen Augen. »Warum?«, fragte sie leise.
    Elster runzelte die Stirn. »Warum wir sie begraben haben? Beim Atem des Vermummten! Wir erweisen unseren Feinden Ehre – ganz egal, wer oder was sie auch sein mögen. Aber am meisten den Tiste Andii. Sie haben Gefangene akzeptiert. Haben die Verwundeten behandelt. Haben sogar einen Rückzug anerkannt – wir sind nicht ein einziges Mal verfolgt worden, wenn wir uns aus einer Auseinandersetzung zurückgezogen haben, die nicht zu gewinnen war.«
    »Haben die Brückenverbrenner das denn nicht ebenfalls immer wieder getan, Kommandant? Und nach kurzer Zeit auch der Rest von Dujek Einarms Soldaten.«
    »Die meisten Feldzüge werden umso schlimmer, je länger sie sich hinziehen«, sagte Elster nachdenklich. »Aber dieser damals nicht. Er ist eigentlich immer … zivilisierter geworden. Unausgesprochene Übereinkünfte …«
    »Doch das meiste davon wurde zunichte gemacht, als Ihr Fahl eingenommen habt.«
    Er nickte. »Mehr als Ihr wisst.«
    Ihre Hand lag immer noch auf seiner Schulter. »Kommt mit mir in mein Zelt, Elster.«
    Er zog die Brauen hoch und lächelte dann. »Dies ist keine Nacht, um allein zu sein – «, sagte er trocken.
    »Sei kein Narr!«, schnappte sie. »Ich habe mir keine Gesellschaft gewünscht – ich habe mir dich gewünscht. Es geht nicht um ein gesichtsloses Verlangen, das gestillt werden soll, und wobei es gleichgültig ist, wer es stillt. Oh nein, das nicht. Verstehst du, was ich meine?«
    »Nicht ganz.«
    »Ich möchte, dass wir beide ein Liebespaar werden, Elster. Von heute Nacht an. Ich möchte in deinen Armen aufwachen. Ich möchte wissen, ob du etwas für mich empfindest.«
    Er schwieg mehrere Herzschläge lang. Schließlich sagte er: »Ich wäre ein Narr, wenn es nicht so wäre, Korlat, aber ich war zu dem Schluss gekommen, dass es sogar noch närrischer wäre, dir Avancen zu machen. Ich habe angenommen, dass du mit einem anderen Tiste Andii vermählt bist – eine Verbindung, die zweifellos schon Jahrhunderte andauert – «
    »Und was hätte solch eine Verbindung für einen Sinn?«
    Er runzelte überrascht die Stirn. »Nun ja, äh, Kameradschaft? Kinder?«
    »Kinder kommen. Allerdings selten, und wenn, dann sind sie ebenso sehr ein Produkt der Langeweile wie von irgendetwas anderem. Tiste Andii finden keine Kameradschaft unter ihresgleichen. Das ist schon vor langer Zeit ausgestorben, Elster. Aber noch seltener ist es, dass eine Tiste Andii aus der Dunkelheit auftaucht, in die sterbliche Welt eintaucht, auf der Suche nach einem Aufschub vor … vor …«
    Er legte ihr einen Finger an die Lippen. »Sag nichts mehr. Ich fühle mich geehrt, Korlat. Mehr als du es jemals verstehen wirst. Und ich werde mich bemühen, mich deines Geschenks würdig zu erweisen.«
    Sie schüttelte den Kopf, senkte den Blick. »Es ist ein geringes Geschenk. Suche nach meinem Herzen, und du bist vielleicht enttäuscht von dem, was du findest.«
    Der Malazaner trat einen Schritt zurück und griff nach seiner Gürteltasche. Er machte sie los, leerte den Inhalt des kleinen Lederbeutels in eine Hand. Ein paar Münzen fielen heraus, dann ein kleiner verdreckter bunter Knoten aus Stoffstreifen, gefolgt von einem einzelnen glatten, dunklen Kieselstein. »Ich habe gedacht«, sagte er langsam, den Blick auf die Dinge in seiner Hand gerichtet, »ich könnte vielleicht eines Tages Gelegenheit haben, das zurückzugeben, was jenen toten Tiste Andii ganz eindeutig etwas bedeutet hat. Alles, was damals bei der Suche gefunden wurde … mir ist klar geworden – sogar damals schon –, dass ich nicht anders konnte, als sie zu
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