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Science Fiction Almanach 1981

Science Fiction Almanach 1981

Titel: Science Fiction Almanach 1981
Autoren: H. J. Alpers
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Aufregung, welche Beschäftigung mit der Zukunft vermittelt, besteht darin, daß sie unerwartete Dinge bereithält und daß man selbst Herr aller Dinge ist. Das ist das Tolle beim Schreiben von SF, und wenn man die Produktionen von anderen liest, besteht die Aufregung darin zu erfahren, was aus der Vorstellung s kraft des anderen emporgestiegen ist – und daß diese gesa m te Geschichte einer Zukunft sich im wesentlichen aus der Imagination eines einzelnen entwickelt hat. Es ist faszini e rend, mit den Eingebungen eines Autors bekannt gemacht zu werden.
    Frage: Ich bin mir bewußt, daß man diese Frage nicht auf eine einfache Formel reduzieren kann, aber wie gehen Sie bei der Erschaffung einer Gesellschaft vor?
    Vinge: Wie ich das anstelle? Sehen Sie, ich neige dazu, meine anthropologischen Erfahrungen einzubringen, da sie mir bei meinen Entwürfen sehr dienlich sind. Ich erstelle eine Art von Ethnographie für die Gesellschaft, erarbeite eine Skizze, in die ich Dinge wie physikalische Gesetze, ökonomische Grundlagen oder Rohstoffquellen einflechte, überlege mir, welche Gesellschaft auf einer solchen Basis existieren könnte, wie deren ökonomische Struktur bescha f fen wäre, welche Art von Religion in ihr ausgeübt würde. Oftmals nehme ich dann Bruchstücke einer Gesellschaft, über die ich etwas gelesen habe, und verbinde diese mit Fragmenten einer anderen, um eine neue zu erschaffen, die beide Teile umfaßt. Stellen Sie sich ein Kastensystem aus der einen und eine imperialistische Sequenz aus der anderen vor. Man kann beide Teile zusammenfügen und auf diese Weise Gesellschaften erschaffen, die es nie auf der Erde g e geben hat, die aber für einen Durchschnittsleser dennoch erkennbar sind und plausibel erscheinen. Ich erbaue sie von Grund auf und berücksichtige auch die mannigfachen Fakt o ren, die eine Rolle für die Entwicklung einer realen Gruppe von Menschen auf der Erde spielen. Wenn man sich mit A n thropologie beschäftigt, bekommt man ein Gespür für diese Dinge. Das ist übrigens etwas, was mich an Ursula Le Guins Arbeiten fasziniert. Sie verfügt über anthropologische I n formationen, weil ihre Eltern beide auf diesem Gebiet Kap a zitäten waren. Man kann es der Art und Weise entnehmen, wie sie Mythologien und Gesellschaften entwirft und wie diese mit ihrer jeweiligen Umgebung korrespondieren. Vermutlich ist das auch eine der Sachen, die mir das größte Vergnügen beim Schreiben bereiten: die Konstruktion neuer Gesellschaften. Aus diesen schöpfe ich meine verschiedenen Charaktere, die ich in der Handlung auftreten lassen will, und ich stelle zugleich Überlegungen an, wie die von mir geschaffene Gesellschaft auf diese Charaktere einwirkt und welchen Einfluß sie auf ihre Persönlichkeitsstrukturen au s übt. Allem übergeordnet ist selbstverständlich eine feste Handlungsstruktur: wo man mit ihnen beginnt und wo man mit ihnen hinwill. Dennoch ist für mich die vorgelagerte Erschaffung eines gesellschaftlichen Rahmens der wichti g ste Teil der Geschichte.
    Frage: Als Sie mit dem Schreiben begannen – hatten Sie da zunächst den jeweiligen Hintergrund und siedelten dann die Geschichten auf ihm an oder hatten Sie zunächst Han d lungsvorstellungen und entdeckten erst später Ihre Fähigke i ten zur Erstellung eines Hintergrundes?
    Vinge: Als ich mit dem Schreiben begann, waren meine Vorarbeiten noch nicht so säuberlich organisatorisch g e trennt. Ich begann damals mit bestimmten Grundvorausse t zungen und Annahmen, kleidete diese jedoch noch nicht in eine Vielzahl von Details ein. Je stärker die Arbeit vora n schritt, desto mehr Einzelheiten flossen später ein. Ich ne h me mir Zeit damit, weil ich der Meinung bin, daß eine u m fangreiche gedankliche Vorarbeit den Akt des Schreibens erleichtert. Plötzlich entdeckt man in diesem Akt, daß man, um von einem Punkt A zu einem Punkt B zu gelangen, eine Menge an Zwischenschritten vollziehen muß, und wenn man sich nicht rechtzeitig die gesellschaftlichen Grundlagen überlegt hat, muß man auf der Mitte des Weges erst einmal haltmachen und Zusatzarbeit leisten. Im Prozeß des Schre i bens machte ich die Erfahrung, wie wichtig es ist, vorher bereits sorgfältige Hintergrundarbeit zu leisten. Es spart e i nem Zeit und erleichtert zudem die Arbeit. Im Verlauf me i ner schriftstellerischen Erfahrung lernte ich, wie wichtig solche Dinge sind, um meinen Standort in der Struktur der Geschichte zu bestimmen. Aber nicht alles ist detailliert vorgeplant. Ich
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