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Schweinsgalopp

Schweinsgalopp

Titel: Schweinsgalopp
Autoren: Terry Pratchett
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Susanne?« fragte Frau Gamasche, die noch immer recht besorgt wirkte.
    »Ja, Frau Gamasche«, bestätigte Susanne gehorsam.
    »Das muß ich mir ansehen, bei Io! Man erlebt nicht jeden Tag, wie Ungeheuer von einer jungen Frau verprügelt werden«, sagte der Mann hinter ihr. Seide raschelte, und Wolken aus Zigarrenrauch trieben in den Flur, als die Gäste das Eßzimmer verließen.
    Susanne seufzte erneut und ging zur Kellertreppe. Twyla setzte sich in aller Seelenruhe auf die oberste Stufe und schlang die Arme um ihre Knie.
    Eine Tür schwang auf und fiel wieder zu.
    Es war kurz still, und dann erklang ein gräßlicher Schrei. Eine Frau sank ohnmächtig zu Boden, und einem Mann fiel die Zigarre aus der Hand.
    »Es besteht kein Grund zur Besorgnis«, sagte Twyla gelassen. »Susanne gewinnt immer. Gleich ist alles in Ordnung.«
    Es pochte und klirrte. Kurz darauf surrte etwas, und schließlich blubberte es.
    Susanne öffnete die Tür und hob einen Schürhaken, der in mehreren rechten Winkeln geknickt war. Nervöser Applaus erhob sich.
    »Ausgezeichnet«, kommentierte ein Gast. »Sehr pschikologisch. Gute Idee. Das mit dem krummen Schürhaken, meine ich. Ich schätze, jetzt hast du keine Angst mehr, Kleine, oder?«
    »Nein«, antwortete Twyla.
    » Sehr pschikologisch.«
    »Susanne sagt immer, man soll sich nicht fürchten, sondern wütend werden«, erklärte Twyla.
    »Äh… danke, Susanne.« Frau Gamasche schien einem Nervenzusammenbruch nahe zu sein. »Und… äh… Sir Geoffrey und die anderen, wenn ihr euch jetzt bitte zum Wohnzimmer begeben würdet… äh… ich meine zum Salon…«
    Die Abendgesellschaft wanderte erneut durch den Flur. Bevor sie die Tür schloß, hörte Susanne noch: »Wirklich enorm überzeugend, wie sie den Schürhaken verbogen hat und so…«
    Sie wartete.
    »Sind sie alle weg, Twyla?«
    »Ja.«
    »Gut.« Susanne kehrte in den Keller zurück und zog etwas Haariges mit acht Beinen hervor. Irgendwie gelang es ihr, das Geschöpf die Treppe hochzuzerren und durch den Flur bis zum Hinterhof zu ziehen. Dort gab sie ihm einen letzten Tritt – bis zum nächsten Morgen hatte es sich bestimmt aufgelöst.
    » So verfahren wir mit Ungeheuern«, sagte sie.
    Twyla beobachtete alles.
    »Und jetzt wird’s Zeit für dich.« Susanne hob das Mädchen hoch.
    »Kann ich den Schürhaken mit in mein Zimmer nehmen?«
    »Meinetwegen.«
    »Er tötet doch nur Ungeheuer, nicht wahr…?« fragte Twyla müde, als Susanne sie durchs Haus trug.
    »Ja«, sagte die Gouvernante. »Alle Arten von Ungeheuern.«
    Sie legte das Mädchen neben seinen Bruder und lehnte den Schürhaken an den Spielzeugschrank.
    Das Objekt bestand aus billigem Metall und hatte einen Knauf aus Messing. Susanne hätte es zu gern an der früheren Gouvernante der Kinder ausprobiert.
    »G’Nacht.«
    »Gute Nacht.«
    Susanne zog sich wieder in ihr kleines Schlafzimmer zurück, ging dort zu Bett und warf einen argwöhnischen Blick zum Fenster.
    Es wäre schön gewesen zu glauben, daß sie sich alles nur eingebildet hatte. Unglücklicherweise wäre das auch ziemlich dumm gewesen. Seit fast zwei Jahren bin ich normal, dachte Susanne. Seit fast zwei Jahren komme ich gut in der richtigen Welt zurecht, ohne mich jemals an die Zukunft zu erinnern…
    Vielleicht steckte doch nicht mehr dahinter als ein Wachtraum. (Aber selbst Träume konnten die Realität widerspiegeln…)
    Sie versuchte, den kleinen Wachsbuckel zu ignorieren, der verriet, daß die Kerze für wenige Sekunden im Wind gebrannt hatte.
     
    Während Susanne versuchte einzuschlafen, saß Lord Witwenmacher in seinem Arbeitszimmer und erledigte Schreibarbeiten.
    Lord Witwenmacher war ein Mörder. Besser gesagt: Er war ein Assassine. Dieser feine Unterschied trennte einfache Halunken, die Leute für Geld umbrachten, von ehrenwerten Gentlemen, deren Dienste gelegentlich von anderen ehrenwerten Gentlemen in Anspruch genommen wurden. In den meisten Fällen ging es darum, gegen Entgelt unangenehme Rasierklingen aus der Zuckerwatte des Lebens zu entfernen.
    Die Mitglieder der Assassinengilde hielten sich für kultivierte Männer, die gute Musik, erlesenes Essen und hohe Literatur schätzten. Sie kannten den Wert des menschlichen Lebens, in den meisten Fällen bis auf den letzten Pfennig.
    Lord Witwenmachers Arbeitszimmer war mit Eichenholz vertäfelt und mit einem dicken Teppich geschmückt. Die alten Möbel wirkten auf eine Weise abgenutzt, die nur im Verlauf von Jahrhunderten eintritt. Es waren gereifte
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