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Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzfeuer: Roman (German Edition)
Autoren: Liane Merciel
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sobald er erwachte.
    Ein Hämmern an den Gitterstäben der Zelle riss ihn aus einem unruhigen Schlaf. Kein Albtraum diesmal. Es war ein Mann, der auf ihn wartete, einer von Baoz’ hartgesichtigen Plünderern; er trug Lederkleidung, auf deren Brust eine rote Faust prangte. Eine breite, grausame Narbe zog sich von der Wange bis zum Kinn über sein Gesicht; wo sie über den Mund verlief, zeigten sich seine Zähne als geschwärzte Splitter. Er öffnete die Tür mit einem klirrenden, eisernen Schlüsselring und hob seine Pechfackel. Ihre Flamme leuchtete nach so langer Zeit in der Dunkelheit schmerzhaft grell, sodass Kelland Tränen in die Augen schossen.
    »Celestianer. Du sollst mitkommen.«
    Unter großer Anstrengung kroch Kelland auf Knien aus seiner Zelle. Unten im Flur hörte er das Pochen von Trommeln. Ihr Hämmern war nicht lauter als das Donnern des Bluts in seinen Ohren. Er schwankte auf den Füßen und hielt sich an der Wand fest, bevor er fiel. Narbengesicht beobachtete ihn mitleidlos.
    Er riss sich zusammen und stand auf. Ich bin ein Sonnenritter. Ich werde nicht schwach sein. Es war Stolz, törichter Stolz, aber was hatte er denn sonst noch? Die Baoziten respektierten eines und nur eines: Stärke. Kelland rang das Zittern in den Knien und das hohle Gefühl im Magen nieder. Seit er in diesem Loch eingesperrt war, hatten sie ihm bloß einen Becher mit wässrigem Haferbrei pro Tag gegeben, und so machte ihn das Stehen schwindelig. Aber er zwang sich dazu, die Wand loszulassen und den Rücken gerade zu halten wie eine Schwertklinge, und wenn sein Körper zu versagen drohte, setzte er seine Willenskraft ein.
    »Warum? Wohin gehen wir?« Seine Stimme war ein rostiges Krächzen, kaum als die eigene zu erkennen. Er hatte so lange nicht mehr gesprochen.
    Narbengesicht spuckte auf den Boden. »Die Spinne will dich sehen.«
    Ohne ein weiteres Wort schritt der Soldat den Flur hinunter. Kelland hatte seine liebe Not mitzuhalten, und es wurde nicht dadurch besser, dass seine Gedanken sich überschlugen.
    Jahrhundertelang hatte Ang’arta einen verderblichen Einfluss auf die umliegenden Königreiche ausgeübt. Die Plünderer der Eisernen Festung huldigten dem Krieg; sie wurden von Kindesbeinen an dazu ausgebildet, und als Jugendliche stieß man sie in die Gruben, damit sie als Krieger wiedergeboren wurden. Ihre Disziplin war ebenso legendär wie ihre Grausamkeit, und sie waren die besten Soldaten der Welt.
    Doch sie waren jahrhundertelang auch die Schwächsten in Hinsicht auf Magie gewesen. Baoz beschenkte seine bevorzugten Krieger mit göttlicher Macht, Stärke und Ausdauer, die ein gewöhnliches Maß überstiegen, schnelle Heilung und Blutdurst in der Schlacht. Aber er beschenkte sie nicht mit Magie. Einzig seine rot gewandeten Priesterinnen mit ihren Eisenhörnern und ihrem dunkelroten Lächeln geboten über wahre Magie, und die letzten waren vor dreihundert Jahren gestorben.
    Und so hatte sich im Laufe der Jahre ein unsicheres Gleichgewicht eingestellt. Nur wenige Königreiche waren je imstande gewesen, Armeen aufzustellen, die es mit denen Ang’artas aufnehmen konnten, aber die Sonnenritter standen bereit, um ihre Zauber wirken zu lassen, wo Stahl vielleicht versagte. Ihretwegen war es den Eisenlords verwehrt geblieben, Calantyr in seiner zerbrechlichen Jugend zu erobern oder die verfallenden Ruinen von Rhaelyand zu verschlingen, bevor neue Königreiche sich aus der Asche des Reichs erhoben.
    Es war kein einfaches Gleichgewicht und auch kein blutloses, aber es hielt.
    Vor acht Jahren hatte sich das geändert. Vor acht Jahren war Aedhras der Goldene, damals ein gewöhnlicher Soldat, von seiner Reise in den Osten mit der Spinne als seiner Gemahlin zurückgekehrt. Kurz darauf besaßen die Baoziten Magie. Wahre Magie. Es war nicht die Magie ihres Gottes, aber sie konnten darüber verfügen, und das war das Werk der Spinne.
    Kelland hatte Avele diar Aurellyn nie gesehen, die Ehefrau des Lordkommandanten und Anführerin der Dornen in diesem Teil der Welt. Nur wenige hatten sie gesehen. Den Gerüchten nach verbrachte sie ihre Tage damit, hoch oben im Turm der Dornen Netze zu spinnen, und sie schickte ihre verstümmelten Jünger aus, um ihrem Willen Geltung zu verschaffen, statt sich selbst in Gefahr zu bringen. Sie war angeblich schön, gnadenlos und gerissen wie eine Bestie.
    Er folgte Narbengesicht lange und langsam eine Treppe hinauf, vorbei an Soldaten, die ihn auslachten und verhöhnten. Kelland versuchte, sich taub
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