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Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung

Titel: Schwarzbuch Kirche - Und führe uns nicht in Versuchung
Autoren: Bastei Lübbe
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Santiago de Compostela schon im 9 . Jahrhundert »aufgefunden« worden war, würde, so versprach die kirchliche Propaganda, dem christlichen Heer himmlischen Beistand leisten.
    Die fromme Propaganda wirkte. Zu zehntausenden fanden sich französische und burgundische Adelige mit ihren Truppen zur Unterstützung des aragonischen Königs ein. Die Franzosen standen unter dem Kommando von Wilhelm VIII . von Aquitanien, Ramiros Schwager, und die Burgunder leitete ein Bruder des Abtes Hugo von Cluny, dem mächtigsten Kloster der Benediktiner. Der Abt wollte die Entwicklung südlich der Pyrenäen unter Kontrolle behalten, hing daran doch seine bedeutendste Geldquelle, die den Ausbau weiterer Klöster seines Ordens ermöglichte. Denn Ramiros Halbbruder, Ferdinand I . Graf von Kastilien, hatte Abt Hugo von Cluny den Bau der riesigen Basilika in Cluny finanziert und bezahlte an ihn jährlich den Zehnten. Aber Ramiro erhielt noch mehr Unterstützung, der Papst schickte sogar seine eigene Kavallerie. Als Anführer der päpstlichen Reiterei diente dabei ein normannischer Haudegen, Wilhelm von Montreuil, genannt »Der gute Normanne«.
    Das Heer der frommen Krieger sammelte sich zunächst bei Girona in der kastilischen Grafschaft Barcelona und zog dann entlang der Pyrenäen gen Westen. Schon die erste Feindberührung bei Graus kostete König Ramiro I ., der die spanischen Truppen führte, das Leben. Sein Sohn Sancho Ramírez ( 1063 – 1094 ) übernahm als sein Nachfolger die Führung. Der große Kriegszug gelangte zu der maurischen Grenzstadt Barbastro, gut 100 Kilometer vor Saragossa. Unter Führung des päpstlichen Kommandeurs begann die Belagerung der Stadt. Den Verteidigern ging das Wasser aus, sie mussten nach wenigen Tagen aufgeben und die Stadt den Christen öffnen. Dann folgte ein Massaker grausamster Art, eine Vernichtungsorgie, die der Norden der Iberischen Halbinsel nie zuvor gesehen hatte: Die Einwohner wurden Mann für Mann niedergemetzelt, Frauen und Kinder gefangen genommen und versklavt. Nach zeitgenössischen Quellen, die allerdings die Bedeutung dieser Belagerung übertreiben und deshalb mit Vorsicht zu lesen sind, soll es 50 000 Tote gegeben haben. Ein Blutrausch zur Ehre Gottes?
    Mitnichten, handfeste weltliche Interessen beflügelten die Eroberer bei ihrem Gemetzel. Wilhelm, der gute Normanne, erhielt als Vertreter des Papstes den größten Teil der Beute; fünfhundert junge Frauen nebst Ausstattung und Schmuck, so sagten Zeitgenossen, habe er bekommen. Natürlich teilte der gute Normanne seinen Schatz brüderlich mit der Kirche und stiftete aus seinem Vermögen der ältesten Abtei der Benediktiner in Montecassino, gelegen zwischen Rom und Neapel, zwei Kirchen. Als Sieger von Barbastro war Wilhelm von Montreuil in Rom gebührend empfangen worden, hatte er doch die Rolle des Papstes als vom europäischen Adel akzeptierten Kriegsherrn begründet. Nur der Pontifex konnte die Aussicht auf sagenhafte Beute mit dem Versprechen ewiger Seligkeit kombinieren und so die Qualen und Gefahren des Krieges vergessen machen. Gut 1000 Jahre nach dem Tag in Getsemani, als Christus dem Petrus befahl, das Schwert in die Scheide zu stecken, kehrte das Schwert zurück in der Hand der Nachfolger des Petrus. Ob an diesem Tag des Jahres 1064 , an dem Barbastro fiel, Papst Alexander II . diese Bedeutung erkannt hatte, wissen wir nicht. Aber das Tabu war gebrochen, der unheilige Geist hatte die Flasche verlassen.
     
    Wie jedes schlechte Beispiel in der Geschichte machte auch die Belagerung von Barbastro schnell Schule. Als 1066 der normannische Herzog Wilhelm, nicht zu verwechseln mit dem »guten Normannen«, sein »Recht« auf die englische Krone durchsetzen wollte und deshalb einen Angriff auf die Insel plante, bat er den Papst vorher um Erlaubnis. Es blieb dieses Mal jedoch bei nur moralischer Unterstützung aus Rom. Papst Alexander II . sandte dem Normannen seinen päpstlichen Segen und – damit die Soldaten die gute Sache auch bildlich vor Augen hatten – seine Fahne, das Vexillum Sancti Petri. Auch dieser Krieg ging aus päpstlicher Sicht gut aus, zu Weihnachten 1066 konnte Erzbischof Aeldred von York den Normannenherzog Wilhelm zum englischen König krönen. Der eigentlich zuständige Erzbischof Stigand von Canterbury war wegen Widersetzlichkeit gegenüber dem Papst in einer anderen Sache exkommuniziert worden und durfte keine Weihehandlungen vornehmen. König Wilhelm, genannt »der Eroberer«, half dem Papst dann 1070 , den
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