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Schwaben-Filz

Schwaben-Filz

Titel: Schwaben-Filz
Autoren: Klaus Wanninger
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ausstoßen, konnte seine Neugier nicht länger zurückhalten.
    »Silke ist Klara Börrischs Tochter.«
    »Und was haben wir über sie?«
    »Ein bis heute nicht aufgeklärter Vorfall. Silke Börrisch verschwand vor sechs Jahren abends von einem Fest. Sie war 16 damals. Der neue Bahnhof von Oettingen wurde eingeweiht. Am nächsten Morgen wurde sie in Ludwigsburg nicht weit vom Krankenhaus am Straßenrand gefunden. Sie lag im Koma. Ursache: Übermäßiger Alkoholkonsum. Die Ärzte stellten zudem fest, dass sie in der Nacht Geschlechtsverkehr gehabt hatte, allerdings ohne Anzeichen von Gewalt. Aber das muss nichts heißen. Der oder die Täter können sie bewusst mit Alkohol abgefüllt haben, um sie wehrlos zu machen.«
    »In Oettingen«, überlegte Braig. »Was sagte das Mädchen selbst dazu?«
    »Sie erwachte erst mehrere Wochen später aus dem Koma. Die Kollegen konnten sie trotzdem nicht befragen. Die Ärzte lehnten es ab. Seither liegt sie auf der Geschlossenen in der Psychiatrie.«

38. Kapitel
    War das wirklich möglich?
    Eine Frau, deren Tochter im Alter von 16 Jahren durch einen unglücklichen Vorfall oder ein Verbrechen vollkommen aus der Bahn geworfen worden war, zog los, diejenigen, die sie in der Verantwortung für das Schicksal ihres Kindes sah, zur Rechenschaft zu ziehen? Und wenn ja, wieso Ruppich, Grobe, Robel, Henfle? Wie kam sie auf die Idee, diese Männer hätten Schuld am Elend ihres Kindes?
    Braig hatte die Unterlagen, die Ohmstedt ihm gebracht hatte, noch einmal überflogen, anschließend Neundorf über das Schicksal des Mädchens informiert. Die Sache war nie geklärt worden. Die Einweihung hatte man mit großem Pomp und entsprechendem Menschenauflauf ein Wochenende lang gefeiert. Niemand hatte gesehen, wohin oder mit wem Silke Börrisch am Samstagabend verschwunden war.
    »Und? Kannst du dir vorstellen, dass eine dermaßen vom Leid ihrer Tochter getroffene Mutter solche Konsequenzen zieht?«, hatte Braig gefragt. »Und weshalb diese vier?«
    »Das kann ich mir sehr gut vorstellen.« Neundorf hatte nicht lange nachdenken müssen, zu einer Antwort zu finden. »Die wird ihre Gründe haben.«
    »Dann sollten wir uns die Frau möglichst schnell anschauen. Wenn sie mit der Sache zu tun hat, können wir vielleicht noch Henfles Leben retten.«
    »Du glaubst, der Typ lebt noch – nach all dem, was schon passiert ist?«
    Braigs Kopfschütteln war spontan.
    Zwanzig Minuten später waren sie vor dem Mehrfamilienhaus in der Stuttgarter Forststraße angelangt, schusssichere Westen am Leib, die Waffen griffbereit in der Tasche. Es war purer Zufall, dass genau in dem Moment ein junger Mann aus dem Haus trat und ihnen sogar noch freundlich die Haustür offenhielt.
    Braig und Neundorf stiegen die Treppen ins zweite Obergeschoss hoch, läuteten an der Wohnungstür. Kein Laut von drinnen, keine Reaktion. Die Kommissarin drückte erneut auf die Glocke. Wieder nichts als Stille.
    »Und jetzt?«, flüsterte Braig. »Wer garantiert, dass sie nicht in der Wohnung sitzt und einfach nicht öffnet?«
    »Gefahr im Verzug?«, fragte Neundorf. »Ist ja nur eine einfache Frau in einem schäbigen Mehrfamilienhaus, was soll’s. Kräht kein Hahn danach. Meinst du das?«
    Braig schüttelte den Kopf.
    »Ohne mich«, erklärte sie. »Handelte es sich um einen dieser Manager oder Parteibonzen, würden wir nicht mal im Schlaf daran denken, ohne richterliche Erlaubnis reinzugehen. Wir haben keinerlei Beweise gegen die Frau.«
    Braig wusste, wie recht sie hatte. Ohne die ausdrückliche Unterschrift eines Richters in ein Haus oder eine Wohnung einzudringen, blieb nur dann ohne Konsequenzen, solange es sich um einfache Leute handelte. Hatten sie es dagegen mit Personen der oberen …
    Eine ältere Frau kam schwer atmend die Stufen hoch, direkt auf sie zu.
    »Frau Börrisch?«
    Die Missbilligung, die seine Frage auslöste, war nicht zu übersehen. Die Miene der Frau überzog sich mit unzähligen Falten, sie musterte ihn mit stechendem Blick.
    »Junger Mann«, erwiderte sie entrüstet. »Sie sind noch weit davon entfernt. Aber dennoch sollten Sie wissen, dass man mit 50 im Allgemeinen leichter eine Treppe hochkommt als mit 87.«
    »Ich bitte um Verzeihung. Sie haben sich aber jung gehalten. Ihr Alter …«
    »Ersparen Sie sich das Geschleime«, fiel ihm die Frau ins Wort. »Was wollen Sie von Frau Börrisch?«
    »Wir würden gerne mit ihr sprechen.«
    »So?« Ein spitzbübisches Lächeln überzog für einen Moment ihr Gesicht. »Da hätten
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