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Schneekind

Schneekind

Titel: Schneekind
Autoren: Silke Nowak
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Kaffee sollte in der Küche gemacht werden, Hedwig würde mit einem Tablett herumgehen und ihn anbieten. Christa fand die großen Automaten stillos.
    „Es sind auch noch jede Menge Aprikosenplätzchen da“, sagte ich. Die Frage, welche Stärkung gereicht werden sollte, beschäftige mich ebenso wie Christa.
    Christa schüttelte den Kopf. Weihnachtsplätzchen eigneten sich nicht für eine Beerdigung, meinte sie, am Ende könnten die Leute noch denken, die Trauer sei nicht tief genug.
    „Armer Papa“, sagte Sylvia plötzlich. „Ich vermisse ihn so.“
    Dann rannte sie aus der Küche. Ich konnte ihre Tränen fühlen. „Ein tragisches Unglück“, sagte ich und folgte ihr, um sie zu trösten.

9. Kapitel: 30. Dezember
    Das schwarze Kleid war knielang, figurbetont und trotzdem züchtig geschlossen. Sylvia hatte es mir geliehen; zu meiner Verwunderung passte es wie angegossen. Bis auf den Lippenstift trug ich kein Make-up, der schwarze Spitzenschleier war pompös genug. Als ich in den Spiegel blickte, erschrak ich. Ich sah aus wie eine schwarze Madonna. So wandelte ich zwischen den Gästen umher, die pünktlich ab 10 Uhr auf Schloss Albstein eintrafen, und wurde von allen Seiten mit Beileidsbekundungen bedacht.
    „Vielen Dank“, entgegnete ich, senke den Kopf und hatte das Gefühl, dass mir das Mitleid zustand. „Es ist schrecklich.“
    Immer wieder verschwand ich in der Küche, um der alten Hedwig zu helfen, setzte neuen Kaffee auf und servierte die eine oder andere Tasse persönlich. Bei jedem neuen Gast, der eintrat, blickte ich zur Tür; mittlerweile waren es fast 40 Leute, die den „engsten Kreis“ um Friedrich gebildet hatten: Brüder, Neffen und Nichten, Freunde aus Hamburg und Dresden, ehemalige Sekretärinnen und Kollegen.
    Um 10.16 Uhr betrat ein Mann mittleren Alters das Vestibül, er ging leicht gebückt, an seinem Arm erhob sich eine Blondine.
    Unschlüssig sah er sich um. Christa stand in einer Traube von schwarzgekleideten Menschen, in die er augenscheinlich nicht vorzudringen wagte. Er nickte, als Alexander auf ihn zukam. Die beiden Männer umarmten sich steif. Alexander gab der Blondine die Hand.
    Mir wurde schlecht. Ich ging auf das Grüppchen zu.
    „Das ist Anne, meine Verlobte“, stellte Alex uns vor. „Anne, das ist Lars Jordan, der ehemalige Assistent von Papa.“
    Lars Jordan reichte mir seine Hand.
    „Und das ist Brigitta, seine Frau“, sagte Alex.
    Brigitta und ich gaben uns die Hände. Ein unsicherer Blick traf mich aus ihren nichtssagenden Augen. „Mein aufrichtiges Beileid“, sagte sie. „Wir sind noch immer ganz erschüttert. In gewisser Weise war Friedrich ja wie ein Vater für Lars.“ Sie wendete sich ihrem Mann zu. „Das stimmt doch, Lars?“
    „Ja“, bestätigte er. „Friedrich war mein wichtigster Mentor – und Freund.“
    „Ihr entschuldigt mich bitte“, sagte Alex und eilte ein paar Gästen entgegen, die neu hereindrängten.
    „Haben Sie Kinder?“, fragte ich.
    „Drei“, antwortete Brigitta. Ihre Stimme klang unsicher, als fragte sie sich, ob man heute über dieses Thema reden durfte. „Und Sie?“
    Ich räusperte mich. „Leider haben wir schon mal eins verloren“, sagte ich. „Aber vielleicht klappt es ja nochmal. Das wäre schön.“
    Brigitta nickte ernst, doch sie traute sich nicht, nachzufragen. Ich spürte den Blick von Lars Jordan. Er schien zu überlegen, ob er mir seine Dienste anbieten sollte.
    „Darf ich Ihnen eine Tasse Kaffee anbieten?“, fragte ich.
    „Bitte, machen Sie sich keine Umstände“, wehrten beide ab.
    „Ach, ich bin froh, wenn ich etwas tun kann“, sagte ich und eilte in die Küche. Wenig später kehrte ich mit einem Tablett und zwei Kaffeetassen zurück. Es waren identische weiße Tassen. Eine Kaffeetasse war mit einem Tütchen Zucker versehen. Es war 10.33 Uhr, als ich Lars Jordan die markierte Tasse reichte.
    „Bitte“, sagte ich. Die andere gab ich seiner Frau.
    Pflichtbewusst nahmen beide einen Schluck.
    „Anne, kommst du bitte?“ Alex war umringt von älteren Damen, denen er mich vorstellen wollte. Meine Knie zitterten, als ich auf sie zuging. Die Damen musterten mich wohlwollend. Ich schüttelte mehrere Hände – knochige, fleischige, kalte und warme – und nahm die Beileidsbekundungen entgegen.
    „Er ist heimgekehrt zum Herrn“, sagte die Dame mit den langen, knochigen Fingern.
    „Wir brauchen jetzt alle Kraft und Mut“, sagte die andere.
    „Friedrich wird immer bei uns bleiben“, sagte die dritte mit
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