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Schmutzengel

Titel: Schmutzengel
Autoren: dtv
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weggeworfen hatte. Da wollte mich
     jemand auf den Arm nehmen! Ich las den Brief noch einmal gründlich: Kein Zweifel, dort stand es schwarz auf weiß: Zusammen
     mit vier weiteren Unternehmen, zwei aus der Werbung, eins aus dem I T-Bereich und eins aus dem Bereich »Dienstleistungen für medizinische und paramedizinische Kompetenzbildung«, waren die Schmutzengel
     in der Kategorie des innovativsten Start-ups nominiert. Man werde sich in den nächsten Tagen telefonisch bei mir melden. Termin
     der Preisverleihung: fünfter Juni.
     
    »Herzlichen Glückwunsch zur Nominierung«, sagte der nette Herr, der mich drei Tage später tatsächlich anrief.
    »Wie kommen Sie überhaupt auf mich?«, fragte ich.
    »Sie waren ja mehrmals im Fernsehen«, betonte er. »Damit sind wir auch schon direkt bei meiner ersten Frage: War der Hackerangriff
     auf Ihre Homepage denn nun echt oder haben Sie den zu Werbezwecken erfunden?«
    Ich schnappte nach Luft.
    »Nicht, dass Sie die Frage missverstehen, wir unterstellen Ihnen nichts. Aber Ihre Werbung war ja insgesamt etwas   …«, er hüstelte, »unkonventionell, da wird man ja mal fragen dürfen.«
    »Der Angriff war echt und ich fand ihn nicht witzig. Die meisten meiner Kunden auch nicht.« Ich hörte selbst, dass meine Stimme
     etwas schroff klang, aber das störte mich nicht.
    »Ja, ja, das kann ich mir denken. Also, wir brauchen von Ihnen: Ihren vollständigen Lebenslauf, sämtliche Ausbildungen, den
     beruflichen Werdegang, eine   …«
    »Nein.«
    Meine Antwort warf ihn offenbar ziemlich aus der Bahn, denn einige Sekunden war es still in der Leitung.
    »Nein?«, fragte er vorsichtig, fast ungläubig.
    »Hören Sie, ich freue mich über die Nominierung, aber ich habe wirklich viel Arbeit und weder Zeit noch Lust, Ihnen eine Mappe
     zusammenzustellen, wie ich sie zuletzt anlässlich meiner erfolglosen Bewerbungen durch die Gegend geschickt habe. Es ist auch
     ganz einfach. Ich habe eine einzige Ausbildung, habe in einer einzigen Firma gearbeitet, und die hat mich dann gefeuert. Deshalb
     habe ich mich selbstständig gemacht. Das ist alles.«
    »Das ist ja noch besser!« Mir schlug echte Begeisterung aus dem Hörer entgegen. »Na ja, darüber können wir ja dann sprechen,
     wenn wir mit dem Filmteam kommen.«
    Das zweite Nein blieb mir vor Schreck im Halse stecken,und so durfte ich wieder einmal die Geschichte meiner Unternehmensgründung in ein Kameraobjektiv sprechen. Diesmal farblich
     korrekt gekleidet und mit perfekt sitzender Kurzhaarfrisur. Da wir eine Woche Zeit hatten, uns auf die Aufnahmen vorzubereiten,
     schaffte Lisbeth es, Herrn Weber dazu zu bringen, dass wir auch bei ihm filmen durften. Seine Hauselektrik ging in dem Moment
     in die Knie, in dem das Filmteam die mitgebrachten Scheinwerfer einschaltete. Es hätte bei Außenaufnahmen bleiben müssen,
     wäre nicht Herr Metzenrath zu Hilfe geeilt. So bekam neben Lisbeth und mir auch er seinen kurzen Auftritt. Herr Weber sagte
     ein paar nette Worte über unsere Zuverlässigkeit und Lisbeths Kochkünste, und damit war die Sache für uns erledigt, das Filmteam
     zog weiter. Vielleicht zu Greg. Oder zu Lauenstein. Beide waren nämlich in anderen Kategorien nominiert.
     
    Greg verdankte seine Nominierung der Tatsache, dass er die meistbeachtete Anzeigenkampagne des vergangenen Jahres zu verantworten
     hatte. Ich erinnerte mich natürlich, denn die Anfänge dieser Kampagne hatte ich noch mitbekommen. Während dieses Auftrags
     hatte er Sue kennengelernt, und ich schwor mir, den Schokoriegel, um den es da ging, in meinem ganzen Leben nicht zu essen.
     Bisher hatte ich mich daran gehalten.
    Lauensteins auszeichnungswürdige Tat in der Kategorie des »Engagements für die Jugend« war die Organisation eines Ausbildungsverbundes
     im Bestattungsgewerbe, das zu einer Steigerung des Lehrstellenangebotes um einhundert Prozent geführt hatte. Ich freute mich
     für Lauenstein und hatte die spontane Idee, ihn anzurufen, um ihm zur Nominierung zu gratulieren. Allerdings zog ich die Hand,
     die schon den Hörer hielt, wieder zurück. Sein Name weckte in mir Erinnerungen, die ich eigentlich lieber verdrängte.Außerdem hätte er ja genauso gut mich anrufen können, um mir zu gratulieren, wenn er gewollt hätte.
    Hatte er aber anscheinend nicht.
    Ich befand mich mit der Nominierung also in illustrer Gesellschaft und sah darin, neben der Werbung für die Schmutzengel,
     eine Gelegenheit, Greg wiederzusehen, und zwar in einer für mich
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