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Schluesselmomente - Erfahrungen eines engagierten Lebens

Schluesselmomente - Erfahrungen eines engagierten Lebens

Titel: Schluesselmomente - Erfahrungen eines engagierten Lebens
Autoren: Liz Mohn
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des Hauses Bertelsmann im Jahr 1985 hatten wir Herbert von Karajan und die Berliner Philharmoniker eingeladen, in der Gütersloher Stadthalle ein Konzert zu geben. Bei einem anschließenden Gespräch klagte der Maestro, wie schwer es sei, junge Operntalente ausfindig zu machen. In allen möglichen Bereichen werde der Nachwuchs gefördert, doch auf dem Gebiet junger Opernstimmen herrsche ein großer Mangel. Der Gedanke, hier hilfreich zu sein, elektrisierte mich. Wäre das keine Aufgabe für die Bertelsmann Stiftung?

    Im Gespräch mit meinem Mann spürte ich sofort, dass er von der Idee genauso begeistert war wie ich. Doch nach der anfänglichen Euphorie ahnte ich, dass sich daraus eine riesige und äußerst zeitaufwendige Aufgabe entwickeln könnte. Keine Frage: Ich benötigte professionelle Partner und die Vernetzung mit anerkannten Institutionen der Opernlandschaft, um ein solches Vorhaben zu realisieren. Mein wichtigster Partner wurde der damalige Generalintendant der Bayerischen Bühnen, Prof. August Everding. Schon nach unserem ersten Telefonat war er Feuer und Flamme, denn den Mangel, den wir mithilfe der Bertelsmann Stiftung beheben wollten, kannte er nur allzu gut aus seiner jahrzehntelangen Bühnenerfahrung. Als Präsident des Deutschen Bühnenvereins und Präsident der Bayerischen Theaterakademie hatte seine Stimme Gewicht. Wer ihn für ein Vorhaben gewonnen hatte, sah sich von einem couragierten und unermüdlichen Kämpfer unterstützt.
    Bei einem Treffen in München erklärte mir August Everding, dass es weltweit keinen einzigen Wettbewerb für junge Gesangstalente mit Orchesterbegleitung gab. Wie aber sollten junge, klassisch ausgebildete Sänger und Sängerinnen ihre Bühnenpräsenz erproben, die doch für eine ernst zu nehmende Opernkarriere unabdingbar war? Zu jener Zeit fand das traditionelle Vorsingen noch in kleinen, staubigen Räumen der Musikhochschulen und Akademien statt, die man für solche Gelegenheiten aufschloss. Es war üblich, mit Klavierbegleitung zu singen, von einem begleitenden Orchester konnten die jungen Nachwuchssänger nur träumen. Was fehlte, war ein echter Wettbewerb unter Livebedingungen, der Auftritt auf einer großen Bühne, die die jungen Sänger mit ihrer »Präsenz« ausfüllen mussten.

    In diesem intensiven Gespräch mit August Everding wurde die Idee unseres internationalen Sängerwettbewerbs »Neue Stimmen« geboren. In enger Zusammenarbeit mit dem Deutschen Bühnenverein, dessen Vorsitzender er war, baute August Everding unsere Nachwuchsbörse für nationale und internationale Opernsänger auf. Eine Jury aus anerkannten Opernfachleuten wurde berufen, unter denen bis heute so berühmte Regisseure, Musikkritiker und Künstler vertreten waren wie Elisabeth Legge-Schwarzkopf, Hans Pischner, James Wagner, Josef Metternich, Brigitte Fassbaender, Erika Köth, Edda Moser, Birgit Nilsson, Thomas M. Stein, Hellmuth Matiasek, Francisco Araiza, Sir George Christie, René Kollo, Gérard Mortier, Hans Hirsch, Christoph Groszer, Nicholas Payne, Siegfried Jerusalem, Dominique Meyer, Evamaria Wieser, Bernd Loebe, Jürgen Kesting und Anja Silja. Den Vorsitz hatte August Everding bis zu seinem Tod 1999 inne.
    Von Anfang an waren wir bemüht, die Chancen der Nachwuchssänger durch Fernsehübertragungen ihrer Auftritte und durch die Anwesenheit von Agenten und Intendanten zu fördern. Unser erster Wettbewerb der »Neuen Stimmen« startete zunächst auf europäischer Ebene und fand erstmals 1987 in Gütersloh statt. 50 Mitmachen durfte, wer an einer europäischen Musikhochschule Gesang studierte. Sechsunddreißig Teilnehmer aus der Bundesrepublik Deutschland, Österreich, der Schweiz, Frankreich, Italien, England, Polen, Bulgarien, Schweden, Kanada, den USA, Südkorea und Japan hatten sich in einer Reihe von Vorentscheiden für die Endauswahl in Gütersloh qualifiziert.
    Was auf europäischer Ebene begann, weitete sich in den neunziger Jahren zu einer weltweiten Unternehmung aus.
Seither finden die Vorauswahlen in immer neuen internationalen Metropolen statt. Ob Tokio oder Washington, Sydney oder Sankt Petersburg: Der Wettbewerb »Neue Stimmen« wuchs so rasant, dass 2001 zum ersten Mal Sänger aus allen fünf Kontinenten teilnahmen. Die Bedingungen der Globalisierung hatten auch unseren Gesangswettbewerb erfasst. Gerade aus den
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