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Schlüsselfertig: Roman (German Edition)

Schlüsselfertig: Roman (German Edition)

Titel: Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
Autoren: Kirsten Rick
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mir im Wohn-Ess-Bereich steht, und ich in der Küche ein paar Dosen Erbsensuppe öffne.
    »Was würdest du für so viele Leute kochen?«, frage ich sie, die erfahrene Gastgeberin, vorsichtig.
    »Am Montag kommen vierzehn Frauen zu mir, da gibt es Lachs auf Spinat.« Sie senkt die Stimme verschwörerisch. »Natürlich mit dieser neuen Soße für Lachsgratin aus der Tüte vom Aldi . Die ist wirklich gut. Dann wird der Fisch nicht so trocken.«
    Aha. Lachs und Spinat werden natürlich tiefgefroren gekauft, das muss meine Mutter nicht dazu sagen, das ist eh klar. Sie ist eine große Freundin von Convenience-Produkten, auch wenn sie den Begriff noch nie gehört hat. Wahrscheinlich ist das aber auch die einzige Möglichkeit, alle Leute am Tisch satt zu bekommen und dabei noch mit dem Drumherum Eindruck zu schinden. Vielleicht sollte ich einfach die Zahl der Stühle im neuen Haus auf sechs beschränken, dann komme ich nicht in die Verlegenheit solcher Massenabfütterungen.
    Inzwischen läuft schon der Vortrag Die Krise als Chance. Es geht darum, dass man Probleme nicht als Probleme, sondern als Herausforderungen sehen soll. Vom Innehalten ist die Rede, von »einer gewissen ratlosen Scheu«, vom Stillstand. Und davon, dass man sich selbst ändern muss. Wie genau das gehen soll, wird aber seltsam verschleiert. Oder will ich davon einfach nichts wissen? Dennoch fühle ich mich angesprochen und kaufe nach der Veranstaltung an einem Informationstisch eines der empfohlenen Bücher, das jedoch sofort im tiefsten Innersten meiner Tasche verschwindet und dort höchstwahrscheinlich bis in alle Ewigkeit ratlos und scheu vor sich hin existieren wird.
    Der anschließende gesellige Teil des Abends besteht darin, möglichst viel Prosecco zu trinken und dabei möglichst viele Informationen zusammenzuraffen, die man später gegen die betreffende Person verwenden kann. Zwischendurch, wie ein Refrain, kommen immer wieder die aktuellen Produkte von Tchibo ins Gespräch. Für Begeisterung sorgt vor allem der Tischgrill: »Endlich kann man auch mal ohne die Männer und ihr umständliches Holzkohleanzündergefummel und Grillzangengetue ein Barbecue veranstalten. Das ist ja viel zivilisierter und kultivierter, so ein Grill auf dem Tisch«, sagt eine Frau hinter mir. Meine Mutter antwortet mit diesem leichten Unterton, den ich manchmal bei ihr bemerke und so gar nicht einordnen kann: »Man muss nur aufpassen, dass niemand über das Verlängerungskabel stolpert.«
    Hin und wieder rückt der Ideenkreis junger Landfrauen auch mit einer »ganz neuen« Idee heraus, nicht unbedingt einer eigenen, aber das schmälert den Stolz, der in Moniques Verkündigung mitschwingt, nicht im geringsten. Sie bittet um Aufmerksamkeit, die sie natürlich sofort und ungeteilt bekommt, räuspert sich und sagt: »Wir haben uns überlegt, wir machen es wie diese Engländerinnen.« Immerhin verschweigt sie die Quelle ihres Ideenklaus nicht. Auch wenn niemand weiß, wer mit »diese Engländerinnen« gemeint sind.
    Monique und ihre Getreuen wollen zu Geld kommen, indem sie einen Kalender produzieren und den »für einen guten Zweck« verkaufen. Natürlich nicht irgendeinen Kalender, sondern einen mit Nacktfotos. Von sich selbst. Nach einem englischen Vorbild, doch die Damen, die sich dort haben ablichten lassen, waren um einiges älter, das gab der ganzen Sache eine gewisse Originalität. Was der britische Kalender an Humor mehr hat, will Monique durch »künstlerischen Anspruch« wettmachen. Selbstironie liegt ihr nicht, stattdessen will sie Weichzeichner. Aber immerhin: Sie weiß, was sie will. Und sie ist bereit, dafür zu kämpfen. Sogar ohne Netz-Shirt und Doppel-D-BH.
    »Aber für welchen guten Zweck ist das Geld gedacht?«, frage ich leise. Meine Mutter, der die ganze Angelegenheit nicht recht geheuer ist und die sich auch nicht als Model meldet, klärt mich auf: Die Grazien planen ein Frauen-Aerobic-Center. Monique hat angeblich den Bürgermeister soweit, dass die Gemeinde Land zur Verfügung stellt. Ein Zuschuss sei auch in Aussicht gestellt worden. Nun fehlt nur noch das Geld für den Bau.
    Ich bin verwirrt. Seit wann ist die böswillige Vernichtung unschuldiger Cellulitis Anlass für eine Wohltätigkeitsveranstaltung? Und was ist an Aerobic öffentlich förderungswürdig? Wobei: Dass der Bürgermeister mit im Takt hüpft, ist nicht weiter verwunderlich. Den kann Monique bekanntermaßen wie eine ihrer güldenen Betonlocken um den Finger wickeln.
    Die Elsen mit ihrem
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