Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schlimmes Ende

Titel: Schlimmes Ende
Autoren: Philip Ardagh
Vom Netzwerk:
Kutsche aussteigen, und dann wirst du frieren«, sagte die Wahnsinnige Tante Maud. »Ich hätte gedacht, das wäre völlig einleuchtend.«
    »Aber bis dahin werde ich hier drin frieren, Großtante«, beeilte sich Eddie einzuwerfen.
    Großtante Maud starrte ihn feindselig an. Wenn Blicke töten könnten, hätte dieser ihn ernsthaft verletzt.
    »Hast du je darüber nachgedacht, dir einen Schnurrbart stehen zu lassen?«, fragte sie plötzlich.
    »Aber ich bin doch erst elf…«, protestierte Eddie.
    »Still!«, schnappte die Wahnsinnige Tante Maud. »Ich habe Malcolm gefragt.« Freundlich kraulte sie das ausgestopfte Wiesel zwischen den Glasaugen.
    Das ausgestopfte Wiesel sagte nichts.

    Eddie fragte sich, wie er eine ganze Reise in derselben Kutsche mit dieser Irren überleben sollte. Immerhin schien sie vergessen zu haben, dass er sich ausziehen sollte.
    »Na, los, los, junger Mann«, sagte die Wahnsinnige Tante Maud. »Sofort runter damit!«
    Eddie ächzte.
    Um die Reise zu unterbrechen, hielt der Wahnsinnige Onkel Jack an einem Ausspann an, der »Zum Ausspann« hieß. Er befand sich in einem fantasielosen Teil der Gegend, und den Ausspann anders als »Zum Ausspann« zu nennen, hätte vielleicht sowohl die Einheimischen als auch die Durchreisenden verwirrt. Sowohl der Einheimische als auch die Einheimische waren erschienen, um die Reisegesellschaft zu begrüßen. Es waren Wirt und Wirtin, Mr und Mrs Loaf.
    Beide zuckten mit keiner Wimper, als Eddie in Unterhemd und langer Unterhose der Kutsche entstieg.
    Damals galt man, wenn man nur Unterhemd und lange Unterhose anhatte, als ausgezogen. Sehr viel nackter konnte man nicht werden. Wenn es damals Kinos gegeben hätte - die es damals nicht gab -, und sie hätten einen Film gezeigt, in dem jemand am Strand vorgekommen wäre, der nur mit Unterhemd und langer Unterhose bekleidet war, so hätte das einen Sturm der Entrüstung hervorgerufen. Männer mit langen Bärten hätten Barrikaden errichtet und auf den Straßen wäre es zu Tumulten gekommen.
    Die meisten Menschen verbrachten ihr Leben, ohne zu merken, dass man Unterhemd und lange Unterhose auch ausziehen konnte -; sie nahmen einfach an, das gehöre dazu, wie Fingernägel und Haare. Sie nahmen einfach an, diese Unterwäsche wäre ihre Haut, aus anderem Material hergestellt als Gesicht, Hände und Füße, und mit Knöpfen dran.

    Wenn jemand nur mit Boxershorts oder Badehose erschienen wäre, hätte die Damenwelt »Zustände« gekriegt, und die Herrenwelt wäre vor Wut über diese Unanständigkeit explodiert. Was genau »Zustände« waren, ist unklar, denn so etwas wie eine Damenwelt gibt es nicht mehr, und Zustände schon gar nicht.
    Zu Eddie Dickens’ Zeiten jedoch schienen, wenn jemand Zustände kriegte, ein spitzer Schrei, eine Ohnmacht und ein Fallen auf den Erd-(oder Fuß-)Boden nebst einigem Zerknittern des Kleides dazuzugehören.
    Nach einem solchen Zustand stand man einer Dame bei, indem man eine kleine Flasche mit dem Etikett »RIECHSALZ« unter ihrer Nase schwenkte.
    Mit den Zuständen starb auch das Riechsalz aus. Und das Badesalz. Stattdessen verwendet jeder Schaumbad oder Duschgel und das ist alles sehr interessant.
    Infolgedessen kam sich Eddie, als er vor dem Ausspann
»Zum Ausspann« aus der Kutsche stieg, so nackt vor, wie du dir vorkommen würdest, wenn du pudelnackt wärst (nur, vielleicht, deine Armbanduhr umhättest), obwohl er mehr Kleidungsstücke trug als unsereins an einem normalen Tag am Meer.
    Deshalb erwartete er, dass beide Einheimischen - Wirt und Wirtin, Mr und Mrs Loaf - total schockiert wären. Waren sie aber gar nicht.
    »Dies ist der junge Herr Eddie«, erklärte der Wahnsinnige Onkel Jack, indem er vom Bock kletterte und sich neben seinen Neffen stellte. »Lassen Sie ihn bitte in den Stall bringen und für uns zwei Zimmer herrichten -, eins für mich und meine liebe Frau Gemahlin und eins für mein Pferd.«
    »Stets zu Diensten, Wahnsinniger Mr Dickens«, sagte Mrs Loaf. Sie kannte den Wahnsinnigen Onkel Jack offenbar gut, aber es wäre unhöflich gewesen, ihn »Wahnsinniger Onkel Jack« zu nennen, weil sie nicht zur Familie gehörte. »Bitte hier entlang…, obwohl es mir wirklich lieber wäre, wenn Sie nicht bei uns abstiegen.«
    Während Mrs Loaf seine Großtante und seinen Großonkel - und deren Pferd - auf ihre Zimmer führte, wurde Eddie von Mr Loaf in die Stallungen gebracht.
    »Hier drin schläfst du«, sagte er. »Es ist reichlich Stroh da und du wirst es warm und behaglich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher