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Schindlers Liste

Schindlers Liste

Titel: Schindlers Liste
Autoren: Thomas Keneally
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SS mehr zu sehen. Schindler ließ Bankier kommen und gab ihm den Schlüssel für einen riesigen Vorratsbehälter, der 18 Lkw-Ladungen Stoffe, Garne, Wolle, Nähgarn und Schuhe enthielt, die die Wehrmacht zu Schindler nach Brünnlitz ausgelagert hatte. Stern und die anderen haben später versichert, Schindler habe von Anfang an beabsichtigt, nach Kriegsende seine Gefangenen mit diesem Material als mit einer Art Startkapital zu versehen, und Schindler hat das später selbst bestätigt. Er habe sich bei der Wehrmacht um die Lagerung dieser Dinge beworben »in der Absicht, nach Kriegsende meine jüdischen Schützlinge mit Kleidung auszustatten… jüdische Textilfachleute schätzten den Wert dieser Vorräte auf i5OoooUS-Vorkriegsdollar.«
    In Brünnlitz gab es durchaus Leute, die eine solche Schätzung vornehmen konnten, zum Beispiel Juda Dresner, der auf der Stradomstraße ein eigenes Textilgeschäft besessen hatte, auch Itzhak Stern, der in einer Textilfirma gegenüber angestellt gewesen war.
    Die Übergabe des Schlüssels geschah in feierlicher Form; Schindler und seine Frau trugen dabei Häftlingskleidung. Die Umkehrung, die er seit den ersten Tagen der DEF betrieben hatte, war damit sinnfällig erreicht. Als beide in den Hof traten, um Abschied zu nehmen, glaubte man allgemein, er habe sich nur verkleidet und werde diese Verkleidung ablegen, sobald er die amerikanischen Linien erreichte, doch daß er die Häftlingskleidung angelegt hatte, war nicht leichthin abzutun. In einem sehr buchstäblichen Sinne blieb er von nun an bis ans Ende eine Geisel von Brünnlitz und der Emalia.
    Acht Häftlinge waren bereit, mit Schindlers zu fahren, lauter junge Leute, darunter das Ehepaar Richard und Anka Rechen. Der älteste war der Ingenieur Edek Reubinski, fast zehn Jahre jünger als Schindler. Von dem stammt der Bericht über die nun folgende erstaunliche Reise.
    Schindlers und ein Chauffeur sollten den Mercedes nehmen, die ändern in einem Laster folgen, der mit Tauschwaren beladen war, mit Zigaretten und Schnaps. Schindler lag nun daran fortzukommen. Die Wlassowschen Russen waren vor ein paar Tagen schon abgezogen, doch dafür wurde die Rote Armee in aller Kürze in Brünnlitz erwartet. Schindler, der mit seiner Frau in Häftlingskleidung auf dem Rücksitz saß - man muß allerdings zugeben, sie sahen aus wie ein bürgerliches Paar unterwegs zum Maskenball -, gab Stern, Bankier und Salpeter letzte Anweisungen, hatte aber keine Ruhe mehr. Als Grünhaut, der Chauffeur, den Wagen anlassen wollte, rührte der Motor sich nicht. Schindler kletterte hinaus und sah unter die Motorhaube. Jetzt wurde er nervös, war gar nicht mehr, der er noch eben gewesen. »Was ist los?« fragte er immer wieder, doch Grünhaut konnte in der Dunkelheit nichts feststellen.
    Es dauerte eine Weile, bis er die gänzlich unvorhersehbare Panne fand; jemand, der Schindler nicht gehen lassen wollte, hatte die Zündkabel zerschnitten.
    Pfefferberg, der zusammen mit anderen Schindlers nachwinken wollte, holte sein Werkzeug und begann mit der Reparatur. Er spürte, wie eilig Schindler es hatte, und war entsprechend ungeschickt. Schindler starrte auf das Lagertor, als erwarte er, die Russen dort jeden Moment auftauchen zu sehen. Das war durchaus nicht abwegig, auch andere befürchteten genau dies, und Pfefferberg brauchte viel zu lange. Schließlich sprang der Motor an.
    Der Mercedes fuhr los, der Lastwagen hinterher. Zu einem feierlichen Abschied kam es nicht mehr, alle waren zu nervös. Immerhin nahmen Schindlers das Schreiben Hilfsteins, Sterns und Salpeters an sich, im dem die Rolle, welche das Ehepaar in den letzten Jahren gespielt hatte, dargestellt war. Der kleine Konvoi rollte zum Lager hinaus und wandte sich dann Richtung Deutsch-Brod. Für Schindler, der mit mehreren Frauen in Brünlitz angekommen war, war diese Abfahrt in Begleitung seiner Ehefrau so etwas wie eine Hochzeitsreise. Stern und die anderen blieben im Hof stehen. Schindlers Versprechungen hatten sich bewahrheitet, sie waren endlich ihre eigenen Herren. Aber auch damit mußte man erst einmal fertig werden.
    Es folgte eine Übergangszeit von drei Tagen. Nach Abzug der SS blieb nur ein Vertreter der Tötungsmaschinerie im Lager zurück,ein deutscher Kapo, der mit den Männern aus Groß-
    Rosen nach Brünnlitz gekommen war. In Groß-Rosen hatte er eine Anzahl Mordtaten begangen und sich in Brünnlitz Feinde gemacht. Häftlinge holten ihn von seiner Pritsche in der Werkshalle und erhängten ihn
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