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Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume
Autoren: Leah Fleming
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Frühling nach Hause zu kommen, rührte sie immer, besonders wenn ihr Blick auf die Blüten fiel, auf sich öffnende Knospen und das grüne Gras in Parks und auf Feldern. Ostern in der Kathedrale war immer etwas Besonderes, aber in diesem Jahr färbte die Trauer über ihren Verlust alles düster.
    Kurz dachte sie an ihr eigenes Zuhause und ihren geliebten Sohn, so weit entfernt, jenseits des Ozeans. Unwillkürlich kam ihr die lange Rückfahrt in den Sinn, doch sie verdrängte diese müßigen Grübelein rasch. Jetzt hatte sie an etwas anderes zu denken.
    Sie fuhr über ihren langen Wollmantel mit dem Fuchspelzkragen, den sie über dem perlenbestickten Trauerkleid ihrer Mutter und schwarzen Handschuhen trug. Sie empfand es als Trost, die Figur ihrer Mutter in diesen Ärmeln zu spüren und in dem Stoff den vertrauten Duft von Lavendelwasser wahrzunehmen. Ihr Filzhut, der ihre wilden, kastanienbraunen Locken verbarg, war mit den Gagat-Hutnadeln ihrer Großmutter festgesteckt. Celeste hatte nur wenig Zeit gehabt, angemessene Trauerkleidung zu kaufen, und hoffte, eine gute Wahl getroffen zu haben. Louise Forester hatte immer so elegant ausgesehen, und ihre Tochter wollte sie im Tod so ehren, wie sie ihre Mutter zu Lebzeiten geliebt hatte.
    Celeste hatte ihre lebhaften Briefe mit all den Neuigkeiten über die Kathedrale, die Geistlichen und die Streiche der Schüler des Theologischen Kollegs wie einen Schatz gehütet. Sie stellten eine so wertvolle Verbindung mit ihrer Heimat dar. Dann war die Handschrift der Mutter allmählich krakelig geworden, nachlässig über die ganze Seite verteilt. Ihr Vater hatte das Schreiben übernommen und ihr erklärt, ihrer Mutter gehe es nicht so gut, sie könne den Federhalter nicht greifen, mit dem Hinweis, es sei an der Zeit, dass ihre Tochter nach Hause komme, bevor die Krankheit ihren unausweichlichen Tribut fordere.
    Ich konnte dir nicht Lebewohl sagen
, hatte sie jede Nacht seit ihrer Rückkehr geweint. Jetzt würde ihr dieser Gottesdienst ein wenig Trost spenden. Als Tochter eines Bischofs stand Louisa eine Trauerfeier in aller Würde und Ehre zu, und man würde sie im Grabhügel nahe bei der Kathedrale beisetzen.
    Aber wo werde ich um dich trauern, wenn ich wieder nach Hause zurückkehre?
, fragte sich Celeste traurig.
    »Ich bin die Wiederauferstehung und das Leben …« Die tröstenden Worte brausten über sie hinweg, während sie die Hand ihres Vaters umklammerte und versuchte, nicht zu weinen.
    Warum hast du uns verlassen? Wie soll ich meine Pflicht tun ohne deine Kraft und Liebe, mich zu führen und zu leiten?
    Später, als alles vorüber war und sie im Refektorium des Theologischen Kollegs Tee getrunken und kalte Häppchen zu sich genommen hatten, kehrte Celeste mit ihren Brüdern ins Red House zurück, ihrem Haus in Streethay. Hier gab ihr Vater seine Entscheidung bekannt.
    »Jetzt, da ihr alle zusammen seid, möchte ich euch sagen, dass ich nicht hier in diesem Hause bleiben werde. In Vicar’s Close ist ein Platz für mich. Ich möchte in der Nähe eurer Mutter und auch näher bei der Stadt sein, um zur Verfügung zu stehen.«
    »Wir können doch nicht ohne dich hierbleiben«, sagte Selwyn, der als Anwalt jeden Tag nach Birmingham fuhr.
    »Natürlich könnt ihr das. Eines Tages wirst du heiraten, und deine Frau wird sich nicht um einen alten Mann kümmern wollen. Bertram besucht die Universität, er braucht in den Ferien ein Quartier, und Celeste ebenfalls, wenn sie es fertigbringt, ihre Familie auf einen Besuch herzubringen«, sagte er und schaute auf das Bild seines lächelnden Enkels Roddy, das einen Ehrenplatz auf dem Kaminsims einnahm. »Deine Mutter mochte das Foto«, sagte er leise. Er schüttelte seine Tagträume ab und fuhr fort: »Celestine, meine Liebe, du musst ein paar Sachen von ihr mitnehmen.«
    Celeste war überhaupt nicht danach, das Haus mit all seinen geheiligten Erinnerungen zu durchforsten. Dafür wäre immer noch Zeit.
    Ihr Vater fuhr jedoch fort, ungeachtet ihrer Qual. »Du musst ihre Tischwäsche mitnehmen«, beharrte er. »Deine Mutter hat sie so schön bestickt. Es wäre ihr Wunsch, dass du sie übernimmst.«
    Mit Tränen in den Augen betastete Celeste das Tischtuch, des jetzt mit Blumenvasen und Kondolenzkarten bedeckt war. »Danke«, murmelte sie. »Aber jetzt nicht.«
    Endlich erfasste ihr Vater ihre Stimmung und ergriff ihre Hand. »Keine Sorge, deine Mutter ist immer in deinem Herzen«, tröstete er sie. »Sie wird dich nie verlassen. Ihr alle
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