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Scheiss dich nicht an - Lebe

Scheiss dich nicht an - Lebe

Titel: Scheiss dich nicht an - Lebe
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unbesorgt, meine Herren! Die Gerüchte stimmen nicht.“
    Und peng! Schon schießt sich der Biermösel fast selbst den Schädel weg, als sich unverhofft ein Schuss aus der Doppelläufigen löst, „Kruzifixnocheinmal!“, muss er jetzt ein bisserl mit sich selber schimpfen, „aufpassen musst du schon, wenn du die Anni noch packen willst!“
    Der Biermösel will dann aber nicht ganz glauben, dass sein Stern oben am Himmelszelt vorbeizieht und vielleicht schon bald hinterm Gebirgskamm versinkt, ohne dass ihn die Lois Lehn vom Ländlichen Boten wenigstens unter „Vermischtes“ erwähnt. Er blättert das Käseblattl von letzter Woche noch einmal sorgfältig durch und sucht – diesmal mit der Gleitsichtbrille auf der Nase! – unter „Ehrungen und Auszeichnungen“, ob er den ganzseitigen Bericht über seinen Jubeltag vielleicht einfach überlesen hat, aber nichts! Dann blättert er geduldig weiter und fährt mit dem dicken Wurstfinger auf und ab, er freut sich mit den Verstorbenen der letzten Woche in den „Todesanzeigen“ – „auf Wiederschaun!“ – und prophezeit den Neugeborenen in der gegenüberliegenden Rubrik „Geburten“ ein schweres und elendes Leben, trotzdem „herzlich willkommen! Die Glücklicheren von euch werden als Wasserleichen im See enden, die Unglücklicheren als ewig Vergessene im Kanal!“
    Aber über ihn steht natürlich nichts drinnen! Kein „Auch eine alte Geige spielt gut“ unter „Kontakte“, und nicht einmal ganz hinten unter „Zu verschenken“ ist er ihnen hineingerutscht, Kruzifixnocheinmal, sein verwegener Ritt in den Sonnenuntergang von seinem Leben hinein ist der Lois Lehn einfach keine Zeile wert.
    Aber auch das ist der Frühling!, weiß der Biermösel aus der gewissen eigenen Erfahrung heraus. Trotz der aufsteigenden Sonne und der frischen Luft ist der Frühling auch oft schmerzhaft und voller Gefahren. Kaum ein Frühling vergeht ja ohne Bienenstich in die Zunge hinein, keiner ohne Sonnenbrand am Knie bei den feinen blässlichen Damen mit den fleischigen Hüften, kein Frühling vergeht jemals ohne gerissene Bänder während dem Volkstanz, und selten einer ohne ungewollte Schwangerschaften nach dem Volkstanz.
    Kein Frühling verstreicht ohne Dutzende zertrümmerte Bergtote! Der Biermösel kann gar nicht sagen, wie sehr ihm insbesondere die ganzen zertrümmerten Bergtoten jedes Jahr auf die Nerven gehen, vorher schon, wenn sie noch lebendig sind und hoch hinaus wollen, und erst recht nachher, wenn sie heruntergekugelt sind und dann mit ausgeschlagenen Zähnen und komplett verdrehten Haxen in irgendwelchen Löchern tot herumliegen, nichts mag der Biermösel weniger als die Berge und ihre Toten.
    Kein Frühling vergeht schließlich ohne erste Ausfahrt mit dem frisch geputzten Zweitakter-Geschoss vom Vati, seiner heimlichen Geliebten, die ihn aber in der regennassen Rechtskurve an der Abzweigung nach Goisern gerne abwirft und ihn dabei nicht selten den Schädel kostet.
    „Wann kommt denn der Vati wieder heim?“, fragen dann die kleinen Hosenscheißer in der Bauernstube die Mama, und dann lügt der Pfarrer beim Begräbnis, dass er ja eh jetzt oben im Himmel bei den Heiligen ist, mit der einen kleinen Einschränkung freilich: „Nur wenn er brav und rechtschaffen war!“ Ansonsten: „Ewiges Höllenfeuer für den Vati!“
    Und schließlich vergeht natürlich kein Frühling ohne hoffnungsvollen Jungbauern, der sich im Überschwang mit seinem Traktor zigfach in der steilen Wiese überschlägt, weil der Bauerntrottel geglaubt hat, dass es sich heuer endlich ausgehen wird mit seinem neuen Traktor in der steilen Wiese. Stattdessen liegt dann das Jungbauernbaby mit den angeschissenen Windeln komplett zerquetscht unterm Jungbauern, der wiederum selbst komplett zerquetscht und auch angeschissen unterm Traktor vom Altbauern liegt, weil der Jungbauer den Erbfolger ja unbedingt hat mitnehmen und ihm alles hat zeigen müssen, was einmal ihm gehören wird, „schau Vinzenz: die steilen Hänge, der große Traktor, die vielen Kuhlimuhs!“ – Heilige Maria, denkt sich der Biermösel jedes Mal wieder über das Trottelvolk der Bauern, können die es nicht einmal so einrichten, dass der kleine Vinzenz einmal mehr erbt als nur den frühen Tod vom sowieso verschwendeten Bauernleben!
    60 Jahre sind eine lange Strecke, seit der Biermösel selbst die große und einzige Hoffnung als Erbfolger vom alten Biermösel gewesen ist, neben dem Zuchteber im Schweinestall natürlich, der noch ein Stück
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