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Schatzfinder

Schatzfinder

Titel: Schatzfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Scherer
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haben.
Stümperhaft gemalt
    Meine Frage an Sie ist: Warum nur leben die meisten Menschen ihr Leben eher so ähnlich wie der Dachdecker Peter Müller oder der Elektromeister Michael Müller und so gar nicht wie Helmut Schmidt oder Daniela Katzenberger? Und kommen Sie mir jetzt nicht damit, die einen hätten Pech und die anderen Glück gehabt!
    … als würden sie im Wartesaal die Zeit bis zum Leben nach dem Tod absitzen.
    Warum leben beinahe alle Menschen in unserer Gesellschaft ihre durchschnittlich 28 770 Lebenstage, die sie auf dieser Erde verbringen, so, als lebten sie nur mal so zum Ausprobieren? Als würden sie im Wartesaal die Zeit bis zum Leben nach dem Tod absitzen, an das nach einer aktuellen Umfrage nur etwas mehr als ein Drittel der Deutschen glaubt? Warum sind fast alle Menschen nur mittelmäßig glücklich, mittelmäßig stolz, mittelmäßig erfolgreich, mittelmäßig gut in fast allem, was sie tun? Warum drängen sich fast alle auf allen Skalen in der Mitte, sodass die Glückskurve in unserer Gesellschaft über alle Menschen hinweg eine Glockenkurve ergibt? Der Durchschnitt wäre ja gar nicht das Problem, der Durchschnitt von 2 und 98 ist genauso 50 wie der Durchschnitt von 49 und 51 … aber warum nur sind fast alle Lebenswege dem Durchschnitt so nah? Lauter 48er-, 50er- und 53er-Leben, kaum 94er- oder 12er-Leben. Lauter Peter Müllers und kaum Daniela Katzenbergers. Ist es das, was wir wollen, wenn wir noch jung sind: ein durchschnittliches, langweiliges Leben führen? Warten, bis es rum ist, ohne Herausragendes getan zu haben?
    Natürlich, die meisten von uns finden Daniela Katzenberger furchtbar peinlich, so wie wir vor 40 Jahren schon Ingrid Steeger oder vor 15 Jahren Verona Feldbusch peinlich fanden, die ungefähr dieselbe Rolle in der Öffentlichkeit ausfüllten. Es gibt so viele Möglichkeiten, einen guten Eindruck zu machen. Warum lassen sie alle ungenutzt?
    Die Voluminösität von Solanum Tuberosum steht in quantitativer Disproportionalität zur Intelligenz des Produzenten.
    Wir fremdschämen uns ganz wohlig über diese nuttig-frivolen Hupfdohlen, die mehr Silikon und Schminke als Textilien amKörper tragen und sich dermaßen dreist dumm stellen (»Da werden Sie geholfen …«), dass es uns schaudert und wir gerade deswegen einen überdurchschnittlichen Cleverness-Quotienten vermuten. Ich vermute das übrigens auch. Manche dagegen beschreiben das mit anderen Worten: Die Voluminösität von Solanum Tuberosum steht in quantitativer Disproportionalität zur Intelligenz des Produzenten. Oder auf deutsch: Der dümmste Bauer hat die dicksten Kartoffeln.
    Und viele von uns können sich herrlich empören über den qualmenden Helmut Schmidt (»Unverantwortlich! Der Mann will ein Vorbild sein!«) oder den prollenden Dieter Bohlen oder zu seinen Lebzeiten den rücksichtslos polternden Franz Josef Strauß oder heute den rücksichtslos polternden Uli Hoeneß. Wir bewundern insgeheim die Dreistigkeit, vermuten dahinter eine Form von Freiheit, wollen aber dann doch lieber diejenigen sein, die peinlich berührt sind, als diejenigen, die den Grund dazu liefern. Vielleicht ist es ja nur eine Sache von Mut oder Feigheit, auf welcher Seite wir am Ende stehen. Wenn das so ist, dann ist mir meine eigene Feigheit dann aber doch wieder peinlich …
    Denn eigentlich sind wir doch mächtig. Nur weil die in Gutmenschenkreisen so verpönte Kaste der »Persönlichkeitsentwickler« es in den Seminarräumen und von den Bühnen herunter immer wieder proklamiert, muss es ja nicht falsch sein. Ich bin überzeugt: Wir können unser Leben jederzeit so gestalten, wie wir es möchten. Wenn wir noch Kinder sind, ist das Blatt fast leer, wir haben riesige Flächen zu gestalten, wir können alles reinmalen, was wir wollen. Später werden die Flächen kleiner, aber es bleiben immer noch weiße Flächen übrig. Selbst an unserem letzten Tag haben wir immer noch eine kleine weiße Ecke, die wir frei gestalten können.
    Wir lassen uns den Pinsel führen und malen mittelmäßige Durchschnittsbilder, von denen jedes aussieht wie das andere.
    Einen Beruf zu haben bedeutet für viele, wieder und wieder dasselbe zu tun – so lange, bis man es am liebsten gar nicht mehr tun möchte.
    Aber welches Werk liefern wir am Ende ab? Wir lassen uns den Pinsel führen und malen mittelmäßige Durchschnittsbilder, vondenen jedes aussieht wie das andere. Wir versuchen nicht einmal, mit großen Strichen ein grandioses Bild zu entwerfen, eigene Farben

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