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Schattenschmerz

Schattenschmerz

Titel: Schattenschmerz
Autoren: Rose Gerdts
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Ordentliches für sich zu kochen. Vielleicht etwas Orientalisches. Ihm fiel das türkische Kochbuch ein, das ihm eine Bekannte überraschend zum Geburtstag geschickt hatte. Doch im gleichen Moment verwarf er den Gedanken wieder. Heute Nacht würde er höchstens ein paar Stunden Schlaf bekommen. Vermutlich lief also wieder alles auf eine Pizza mit durchweichtem Boden vom Bringservice eines Italieners hinaus.
     
    Fünf Minuten später stand er in dem unaufgeräumten Büro von Gerhard Marlowski. Der Leiter der Tatortgruppe reagierte schon allein bei Steenhoffs Anblick gereizt.
    «Was willst du hier, Frank? Wir sind gerade erst reingekommen. Bis du schriftliche Ergebnisse kriegst, musst du dich noch eine Weile gedulden.»
    Marlowski drehte ihm den Rücken zu, ließ sich schwer auf einen Stuhl fallen und zog sich stöhnend die dreckigen Gummistiefel aus.
    «Das weiß ich, aber kannst du mir eventuell …»
    «Und kannst du mich erst einmal bitte schön ankommen lassen?», unterbrach ihn Marlowski böse.
    Steenhoff war zu überrascht, um ärgerlich zu werden. Marlowski galt als brummiger, eckiger Mensch. Dennoch unterstützte er die Ermittler stets, so gut er konnte. Was er sagte, hatte immer Hand und Fuß.
    «Was ist los mit dir, Gerhard?»
    «Was mit mir los ist?» Marlowski schnaubte verächtlich. «Ich bin es gewohnt, mit meinen Leuten im Dreck und Blut anderer Leute rumzuwühlen. Ich sage auch nichts, wenn ich Leichen in Kanalschächten abkleben oder Blutspuren an irgendeiner zugespritzten Schrankwand dokumentieren muss. Den Ekel haben wir uns alle längst abgewöhnt. Aber heute war es anders. Heute hatte ich Angst. Hörst du: ganz beschissene Angst, wenn du’s genau wissen willst.»
    Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare und sah seinen Besucher angriffslustig an. Steenhoff wollte etwas erwidern, aber Marlowski war noch nicht fertig.
    «Ihr vom 1. K. seid ja schön hinter den Flatterbändern geblieben. Aber meine Leute und ich konnten bei jedem Schritt nur hoffen, dass die Delaborierer tatsächlich alle Sprengsätze gefunden hatten.» Er schob seinen alten Bürostuhl so heftig unter den Tisch, dass die Lehne laut gegen die Kante knallte.
    Steenhoff seufzte. Sonst konnten die Männer von der Tatortgruppe die Ermittler nicht schnell genug hinter die Absperrungen verweisen. Ständig hatten sie Angst, dass ihre Kollegen vorhandene Spuren zerstörten. Jetzt waren die Mitarbeiter des 1. K. mal hinter den Absperrungen geblieben, und es war den Spurensuchern wieder nicht recht.
    Marlowski rieb sich müde die Augen. Als er erneut hochschaute, wirkte er grau und eingefallen. Er hatte eine beginnende Glatze, die er zu kaschieren versuchte, indem er seine Haarsträhnen sorgsam darüberkämmte. Doch jetzt hingen die Haare schlaff zur Seite.
    Der Einsatz hat ihn geschafft, dachte Steenhoff. «Ehrlich gesagt war ich froh, nicht in eurer Haut zu stecken», schlug er einen versöhnlichen Ton an.
    Marlowski schnaubte nur verächtlich.
    «Ich hätte mich nicht gern auf die Delaborierer verlassen mögen. Danke, dass ihr da trotzdem über den Rasen gekrochen seid.»
    Steenhoff drehte sich um und wollte gerade zur Tür hinausgehen, als Marlowski zu reden begann.
    «Wir haben keinen weiteren Sprengsatz gefunden …»
    Steenhoff blieb stehen und kehrte zum Schreibtisch zurück.
    Zum ersten Mal sah ihn Marlowski direkt an. «Die Entschärfer meinen, dass es vermutlich eine USBV war, also eine unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung. Sie war vermutlich in dem Hohlraum eines Holzpfostens versteckt. Die Gärtner müssen beim Manövrieren dagegengefahren sein. Auf dem Pfosten war eine Tafel montiert. Winzige Reste davon haben wir am Tatort gefunden. Einer der Beamten, die frühmorgens bei der Suchaktion eingesetzt waren, konnte sich erinnern, dort so ein Ding gesehen zu haben. Er dachte allerdings, dass es sich lediglich um irgendein Verbotsschild handelte. ‹Betreten der Wiese verboten› oder Ähnliches.»
    «Warum weiß ich davon nichts?», unterbrach ihn Steenhoff.
    Marlowski zuckte gleichmütig mit der Schulter. «Der Beamte hat wohl versucht, dich zu erreichen, aber dein Handy war abgeschaltet. Mir hat er es noch vor Ort erzählt. Ich habe ihm gesagt, dass er dir sofort eine Mail schicken soll.»
    Steenhoff schluckte seinen Ärger hinunter. Wahrscheinlich ist sie schon längst da, dachte er, aber ich schaffe es ja nicht mal in mein Büro. «Was habt ihr noch gefunden?»
    «Erwarte nicht zu viel. Alles war voller Dreck und
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