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Schattenjahre (German Edition)

Schattenjahre (German Edition)

Titel: Schattenjahre (German Edition)
Autoren: Penny Jordan
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versprechen.“ Sageschnitt eine Grimasse. „Ich wusste gar nicht, dass sie Tagebuch führte.“
    „Ich schon“, erwiderte Camilla. „Eines Nachts konnte ich nicht schlafen und kam herunter. Da saß Gran in der Bibliothek und schrieb. Sie erzählte mir, ihre Tagebücher würden sie begleiten, seit sie vierzehn gewesen sei, aber die ersten habe sie nicht aufbewahrt.“
    Wie lächerlich, sich wegen einer solchen Kleinigkeit zurückgesetzt zu fühlen, dachte Sage.
    „Die Bücher liegen in den Schubfächern des großen Schreibtisches, der mal Grandpa gehörte“, fuhr Camilla fort. „Nur Gran besitzt einen Schlüssel.“
    „Den habe ich jetzt.“ Nur widerstrebend hatte Sage im Krankenhaus die Handtasche ihrer Mutter samt Inhalt entgegengenommen. Und sie empfand immer noch ein heftiges Unbehagen, weil sie nur zu gut wusste, warum ihr die persönlichen Sachen der Patientin ausgehändigt worden waren.
    „Ich frage mich, warum wir die Tagebücher lesen sollen.“ Eine seltsame Besorgnis lag in Fayes Augen.
    Prüfend musterte Sage ihre Schwägerin, an deren stille Gegenwart in Liz’ Schatten sie sich längst gewöhnt hatte. Wieder einmal überlegte sie, warum diese attraktive, mit ihren einundvierzig Jahren noch relativ junge Frau sich mit einem solchen Leben begnügte. Sicher, Faye hatte David vergöttert. Aber nun war er seit vielen Jahren tot, und offenbar hatte es nie einen anderen Mann für sie gegeben.
    Warum gab sie sich mit ihrem Schicksal zufrieden? Wie Sage wusste, blieben manche Witwen allein, weil sie wegen ihrer schlechten Erinnerungen an die Ehe keine neuen Partnerschaften eingehen wollten. Aber Faye war sehr glücklich mit David gewesen. Warum vergrub sie sich hier mit ihrer Schwiegermutter und ihrer Tochter? Nach außen hin wirkte sie ruhig und gefasst wie immer – wenn auch nicht auf so kraftvolle Art kontrolliert wie Liz.
    Fayes Selbstbeherrschung war eher ein Schutzschild, hinter dem sie sich vor der Welt versteckte. Jetzt flackerte es nervös in den sanften blauen Augen. Das blonde Haar – während der Ehe offen getragen – war zu einem klassischen Knoten zusammengesteckt. Das Make-up bestand aus dezentem Lidschatten, Wimperntusche und einem Hauch von Lippenstift.
    Trotz ihrer Schönheit hatte Faye stets ihr Bestes getan, um möglichst unscheinbar zu wirken. Warum, fragte sich Sage und beobachtete sie verstohlen. Oder befassten sich ihre Gedanken nur mit der Schwägerin, um dem Grund ihres Besuchs in Cottingdean auszuweichen?
    Während Faye und Camilla sie bedrückt anstarrten, fühlte sie sich verpflichtet, die beiden zu beruhigen. „Wahrscheinlich sollen wir die Tagebücher lesen, weil Mutter glaubt, dass nützliche Dinge darin stehen – etwas, das uns hilft, das Landgut bis zu ihrer Genesung zu verwalten.“
    Faye runzelte die Stirn. „Henry kümmert sich um die Schafherde und um die Spinnerei, obwohl sein Enkel das alles offiziell übernommen hat.“
    „Und wer soll die Versammlung der Bürgerinitiative gegen den Bau der neuen Straße leiten?“, fragte Camilla.
    „Welche neue Straße meinst du?“, fragte Sage bestürzt.
    „Sie soll zur neuen Schnellstraße westlich zum Dorf führen“, erklärte Faye, „direkt durchs Ackerland, nur wenige Meter von unserem Grundstück entfernt. Deine Mutter hat eine Protestaktion organisiert. Vor zwei Wochen fand die erste Sitzung der Gruppe statt. Natürlich wurde Liz zur Vorsitzenden der Initiative gewählt.“
    Wie Sage sich verwundert eingestand, passte ihre Empörung über die geplanten Neuerungen überhaupt nicht zu den Gefühlen, die sie für Cottingdean und das Dorf hegte. Wie froh war sie damals gewesen, diesem Ort entronnen zu sein … Warum grollte sie jetzt den Leuten, die es wagten, die Landschaft durch eine Straße zu zerstören?
    „Was sollen wir bloß ohne sie machen?“, klagte Faye.
    Anscheinend war sie den Tränen nahe, und Sage atmete erleichtert auf, als sich die Tür öffnete und die Haushälterin den Teewagen hereinrollte.
    Der Nachmittagstee galt als Institution in Cottingdean, seit Sages Eltern eingezogen waren. Ihr Vater, schon damals ein Invalide, hatte an Appetitlosigkeit gelitten. Mit der Tradition dieser Teestunde hatte die Mutter versucht, ihn zum Essen zu animieren.
    Jenny und Charles Openshaw arbeiteten seit fünf Jahren als Haushälterin und Gärtner beziehungsweise Chauffeur – ein nettes, über fünfzigjähriges Ehepaar aus dem Norden Englands.
    Von Anfang an hatte Sage die beiden gemocht. Jenny und Charles
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