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Schattenjahre (German Edition)

Schattenjahre (German Edition)

Titel: Schattenjahre (German Edition)
Autoren: Penny Jordan
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ihre Tagebücher lese“, flüsterte sie, viel zu verwirrt, um zu begreifen, was sie zu diesem Geständnis trieb.
    „Viele Menschen denken über gewisse Dinge in ihrem Leben nach, wenn sie dem Tode nah sind.“
    „Ich wusste nichts von diesen Tagebüchern.“ Sage sprach mehr mit sich selbst. „Und ich musste es ihr versprechen …“ Sie wusste, dass sie dieses Versprechen nicht brechen durfte, undsie fürchtete die Erkenntnisse, die sie bei der Lektüre der Aufzeichnungen gewinnen würde. Sollte der Schmerz, den sie vor so langer Zeit überwunden hatte, von Neuem erwachen? Als der Arzt sie aus dem Zimmer führte, warf sie einen letzten Blick auf die Mutter. „Wird sie …?“
    Wird sie sterben, wollte sie fragen, obwohl ihr vor der Antwort graute, obwohl sie sich an einen Hoffnungsschimmer zu klammern versuchte – an den Glauben, innere Kraft zu finden, solange die Mutter lebte.
    Oft hatte sie die Leute sagen hören, am schlimmsten seien Leid, Schuldgefühle und das Bewusstsein der Vergänglichkeit in jenem Augenblick, wo ein Erwachsener einen Elternteil verliere. Sages Vater war während ihrer Teenagerzeit gestorben. Für ihn war es eine Erlösung gewesen, und es hatte sie kaum berührt. Wegen seiner schlechten gesundheitlichen Verfassung hatte er niemals eine große Rolle in ihrer Entwicklung gespielt. Stets war er im Hintergrund geblieben – eine Person ohne klare Konturen, aber der Mittelpunkt im Leben seiner Frau.
    Bis jetzt war Sage überzeugt gewesen, sie hätte vor fünfzehn Jahren aufgehört, die Mutter zu lieben, jenes Gefühl wäre von einem zu schwerwiegenden Verrat, von zu viel Leid vernichtet worden und es gäbe nur eine einzige Möglichkeit zu überleben – die Trennung, die Unabhängigkeit.
    Deshalb hatte sie sich ein eigenes Leben aufgebaut, eine Karriere gemacht, die sie zwischen London, New York, Los Angeles, Rom und Paris hin und her führte, zu all den Orten, wo man Interesse an ihren Wandgemälden fand. Überall auf der Welt standen Häuser, deren Besitzer ihr Heim niemals in glamourösen Zeitschriften für Innenarchitektur abgebildet sehen wollten, aber Sages Kunstwerke als kostbare Dekoration betrachteten. Sie war gefragt, wurde hoch bezahlt und nahm nur Aufträge an, die ihr zusagten. Ihr Leben gehörte ihr allein. Zumindest war sie dieser Meinung gewesen.
    Warum ich, hatte sie sich erkundigt und war von der Mutter nicht einmal in dieser extremen Situation geschont worden. Natürlich, die sanftmütige, feinfühlige Faye würde es niemals über sich bringen, die Tagebücher eines anderen Menschen anzurühren, in einem fremden Privatleben herumzuschnüffeln. Aber warum war es so wichtig, dass Sage diese Aufzeichnungen las? Warum bestand die Mutter darauf – womöglich in der Stunde ihres Todes?
    Es gab nur einen einzigen Weg, das herauszufinden.
    Sage würde nichts gewinnen, wenn sie hinauszögerte, was geschehen musste. Das erkannte sie, als sie das Krankenhaus verließ. Wie es der Zufall wollte, hatte sie soeben einen Auftrag ausgeführt und noch etwas Zeit bis zum nächsten. Also wurde sie von keiner dringenden Pflicht daran gehindert, ihr Versprechen zu erfüllen und sofort nach Cottingdean zu fahren, so gern sie diese Reise auch vor sich hergeschoben hätte.
    Der Familiensitz lag am Rand eines idyllischen Dorfes in den Hügeln südöstlich von Bath. In dieser ländlichen Gemeinde hatte die Mutter, liebevoll und von allen geliebt, geschaltet und gewaltet. Sage war mit Cottingdean nie so eng verbunden gewesen wie ihre Angehörigen. Aus irgendeinem Grund hatte sie sich dort wie eine Gefangene gefühlt und nach weiteren Horizonten gestrebt.
    Cottingdean … Faye und Camilla würden sie erwarten, mit angstvollen Fragen nach der Mutter bestürmen.
    Welch eine Ironie, dass die Schwägerin genoss, was Sage stets verwehrt worden war – die Liebe der Mutter. Trotzdem konnte sie Faye nicht hassen.
    Sie seufzte ein wenig, als sie nach Westen zur M4 fuhr. Arme Faye – das Leben war nicht freundlich zu ihr gewesen, und in ihrer Schwäche vermochte sie die Schicksalsschläge kaum zu ertragen.
    Deutlich erinnerte sich Sage an den Tag, an dem Faye und David geheiratet hatten. Eine bleiche, zerbrechliche Braut, von inniger Liebe erfüllt … Das Glück war nur von kurzer Dauer gewesen. Ein tragischer, sinnloser Autounfall hatte David das Leben gekostet und Faye vor die Aufgabe gestellt, Camilla allein großzuziehen.
    Sage war nicht überrascht gewesen, als ihre Mutter die Schwiegertochter
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