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Schattenblüte. Die Erwählten

Schattenblüte. Die Erwählten

Titel: Schattenblüte. Die Erwählten
Autoren: Nora Melling
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abgeschlossen hatten und keine Zukunft mehr sahen. Menschen, die sterben wollten. Da war Rawuhn, der vor Liebeskummer keinen Ausweg mehr sah, Karr, der von seinen Mitschülern in die Verzweiflung getrieben wurde, Luisa und Norrock.»
    «Also, ich wollte kein bisschen sterben!», sagt Norrock.
    «Du warst so voll von Alkohol und Drogen, du hättest keinen Sommer mehr überlebt», sagt Thursen. «Ich wette, davon weißt du nichts mehr.»
    Norrock grinst sein typisches Grinsen. «Da ist was dran.»
    Die beiden Wölfe vor uns kommen ganz nah. Agnetha weicht zurück, sieht sie an wie gebannt. Die Tiere legen sich zu uns auf die Decke und wandeln sich vor unseren Augen fließend in Menschen. Edgar und Pia, die Zrrie war.
    «Guten Morgen!», sagen sie. Und es ist ein guter Morgen. Ein frischer, strahlender Morgen. Ich frage mich einen Moment lang, ob sie es sind, die diesen Tag vergolden. Ich lächle ihnen beiden zu und lehne mich zurück an Thursen. Spüre seine Brust sich heben und senken, wenn er atmet. Er legt seine Arme um mich.
    «Norrock hat fortgesetzt, was Thursen begonnen hatte», fährt Elias fort. «Er fand Zrrie, die du hier vor dir siehst. Sie verdankt ihm ihr Leben. Stimmt doch, oder?»
    Zrrie nickt. Auch ihr Gesicht ist von einem sanft schimmernden Lächeln verzaubert. Ist es die Liebe zu Edgar oder etwas anderes, Höheres, das sie auf einmal so schön macht?
    «Wie habt ihr, du und Norrock, denn von den Verzweifelten gewusst?»
    Thursen spielt mit einer Strähne von meinem Haar. «Als Werwolf kann man spüren, wenn sich eine Seele auf den Weg in die andere Welt macht, selbst wenn sie noch im lebendigen Körper steckt. Und mit etwas Glück kann man sie finden und versuchen, sie aufzuhalten.»
    «Es gibt also wirklich Werwölfe», sagt Agnetha und schaut versunken auf Pia und Edgar. «Wandler. Gleichzeitig Mensch und Tier.»
    Ich folge ihrem Blick. Eben noch waren die beiden wunderschöne Wölfe. Jetzt sitzen dort zwei Menschen und sehen sich liebevoll an. Doch statt Schatten im Fell, Schatten in den Haaren, tragen sie, auch jetzt als Menschen, das goldene Leuchten der Shinanim in ihren Augen. Sie sind nicht nur Mensch und Tier, sie sind mehr.
    «Vergiss nicht Luisa!», sagt Edgar, der den Blick kaum von seiner Gefährtin lösen kann. «Sie ist es, die uns alle gefunden hat. Sie hat mich gefunden und Elias. Sie hat den Faden geknüpft zwischen uns und den Werwölfen. Ohne sie wären wir vielleicht heute noch Todfeinde, die sich gegenseitig vernichten wollen.»
    Thursen hustet. «Die Werwölfe wurden vernichtet.»
    «Ja. Die wenigen aus dem Rudel, die überlebt haben, sind jetzt wieder Menschen.» Elias nickt. «Das Tor ist zerstört, die Zeit der Wächter ist vorbei.» Er wendet sich wieder Agnetha zu. Er sieht sie an, als würde er sie gerne berühren, und ich frage mich, warum er trotzdem Abstand hält. Ist es noch wegen mir? Oder weil sie Thursens Schwester ist? Hat er sie tatsächlich nur deshalb mitgebracht, weil er fand, es wäre Zeit, dass sie die Wahrheit erfährt?
    Elias weist auf Edgar und Pia. «Diese Werwölfe, die du hier vor dir siehst, Agnetha, sind etwas ganz Neues. Sie setzen Thursens Aufgabe fort, suchen die Seelen der Verlorenen und versuchen zu helfen. Sie sind keine Verborgenen mehr und keine Wächter. Sie sind die Erwählten.»
    Sie sind etwas Wunderbares, die Ersten ihrer Art. Ich wünschte so sehr, dass es schon mehr von ihnen gäbe, die den Verzweifelten Halt geben. Wir alle hätten solche Seelensucher gebraucht. Jetzt gibt es sie. Die Erwählten. Ich schlucke und rücke näher an Thursen, dem es genauso geht.
    Im Wald leuchten die Kerzen an den Trauerbäumen, und das Licht der Morgensonne tanzt über die Blumen, die wir dort niedergelegt haben. In ein paar Stunden kehren wir in unser Leben zurück, und Edgar und Zrrie werden wieder ihre Wolfsgestalt überwerfen. Sie erhalten ihre Kraft vom Licht der Sonne, sie müssen nicht vergessen, und nichts wird ihr Leben verkürzen. Vielleicht leben sie sogar länger, wie das so oft ist bei den Shinanim. Zrrie und Edgar verbindet ein stummer Blick wie eine silberne Brücke. Sie haben eine große Aufgabe, doch wer könnte sie bewältigen, wenn nicht sie?
    «Möchte vielleicht jetzt jemand einen Cookie?», fragt Rieke.
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Über Nora Melling
    Nora Melling wurde 1964 in Hamburg geboren. Schon als Kind liebte sie es, phantastische Geschichten zu erfinden. Doch erst einmal machte sie eine
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