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Schach von Wuthenow

Schach von Wuthenow

Titel: Schach von Wuthenow
Autoren: Theodor Fontane
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Zucker aus der Schale nahm: »Auf ein Wort, lieber Schach. Aber im Nebenzimmer.«
    Und sie ging ihm dahin vorauf.
    »Lieber Schach«, begann sie, hier auf einem großgeblümten Kanapee Platz nehmend, von dem aus beide mit Hilfe der offenstehenden Flügeltür einen Blick auf das Eckzimmer hin frei hatten, »es sind dies unsere letzten Minuten, und ich möchte mir, ehe wir Abschied voneinander nehmen, noch manches von der Seele heruntersprechen. Ich will nicht mit meinem Alter kokettieren, aber ein Jahr ist eine lange Zeit, und wer weiß, ob wir uns wiedersehen. Über Victoire kein Wort. Sie wird Ihnen keine trübe Stunde machen; sie liebt Sie zu sehr, um es zu können oder zu wollen. Und Sie, lieber Schach, werden sich dieser Liebe würdig zeigen. Sie werden ihr nicht wehe tun, diesem süßen Geschöpf, das nur Demut und Hingebung ist. Es ist unmöglich. Und so verlang ich denn kein Versprechen von Ihnen. Ich weiß im voraus, ich hab es.«
    Schach sah vor sich hin, als Frau von Carayon diese Worte sprach, und tröpfelte, während er die Tasse mit der Linken hielt, den Kaffee langsam aus dem zierlichen kleinen Löffel.
    »Ich habe seit unsrer Versöhnung«, fuhr sie fort, »mein Vertrauen wieder. Aber dies Vertrauen, wie mein Brief Ihnen schon aussprach, war in Tagen, die nun glücklicherweise hinter uns liegen, um vieles mehr, als ich es für möglich gehalten hätte, von mir gewichen, und in diesen Tagen hab ich harte Worte gegen Sie gebraucht, harte Worte, wenn ich mit Victoiren sprach, und noch härtere, wenn ich mit mir allein war. Ich habe Sie kleinlich und hochmütig, eitel und bestimmbar gescholten und habe Sie, was das schlimmste war, der Undankbarkeit und der Lâcheté geziehen. All das beklag ich jetzt und schäme mich einer Stimmung, die mich unsre Vergangenheit so vergessen lassen konnte.«
    Sie schwieg einen Augenblick. Aber als Schach antworten wollte, litt sie's nicht und sagte: »Nur ein Wort noch. Alles, was ich in jenen Tagen gesagt und gedacht habe, bedrückte mich und verlangte nach dieser Beichte. Nun erst ist alles wieder klar zwischen uns, und ich kann Ihnen wieder frei ins Auge sehen. Aber nun genug. Kommen Sie. Man wird uns ohnehin schon vermißt haben.«
    Und sie nahm seinen Arm und scherzte: »Nicht wahr? On revient toujours à ses premiers amours. Und ein Glück, daß ich es Ihnen lachend aussprechen kann, und in einem Momente reiner und ganzer Freude.«
    Victoire trat Schach und ihrer Mama von dem Eckzimmer her entgegen und sagte: »Nun, was war es?«
    »Eine Liebeserklärung.«
    »Ich dacht es. Und ein Glück, Schach, daß wir morgen reisen. Nicht wahr? Ich möchte der Welt um keinen Preis das Bild einer eifersüchtigen Tochter geben.«
    Und Mutter und Tochter nahmen auf dem Sofa Platz, wo sich Alvensleben und Nostitz ihnen gesellten.
    In diesem Augenblick wurde Schach der Wagen gemeldet, und es war, als ob er sich bei dieser Meldung verfärbe. Frau von Carayon sah es auch. Er sammelte sich aber rasch wieder, empfahl sich und trat in den Korridor hinaus, wo der kleine Groom mit Mantel und Hut auf ihn wartete. Victoire war ihm bis an die Treppe hinaus gefolgt, auf der noch vom Hof her ein halber Tagesschein flimmerte.
    »Bis auf morgen«, sagte Schach und trennte sich rasch und ging.
    Aber Victoire beugte sich weit über das Geländer vor und wiederholte leise: »Bis auf morgen. Hörst du...? Wo sind wir morgen?«
    Und siehe, der süße Klang ihrer Stimme verfehlte seines Eindrucks
nicht
, auch in
diesem
Augenblicke nicht. Er sprang die Stufen wieder hinauf, umarmte sie, wie wenn er Abschied nehmen wolle für immer, und küßte sie.
    »Auf Wiedersehn, Mirabelle.«
    Und nachhorchend hörte sie noch seinen Schritt auf dem Flur. Dann fiel die Haustür ins Schloß, und der Wagen rollte die Straße hinunter.
    Auf dem Bocke saßen Ordonnanz Baarsch und der Groom, von denen jener sich's eigens ausbedungen hatte, seinen Rittmeister und Gutsherrn an diesem seinem Ehrentage fahren zu dürfen. Was denn auch ohne weiteres bewilligt worden war. Als der Wagen aus der Behren- in die Wilhelmsstraße einbog, gab es einen Ruck oder Schlag, ohne daß ein Stoß von unten her verspürt worden wäre.
    »Damn«, sagte der Groom. »What's that?«
    »Wat et is? Wat soll et sind, Kleener? En Steen is et; en doter Feldwebel.«
    »Oh no, Baarsch. Nich stone. 't was something... dear me..., like shooting.«
    »Schuting? Na nu.«
    »Yes; pistol-shooting...«
    Aber der Satz kam nicht mehr zu Ende, denn der Wagen hielt
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