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Scarlett – Die Liebe hat Augen wie Eis, der Tod hat Augen wie Feuer: Roman

Scarlett – Die Liebe hat Augen wie Eis, der Tod hat Augen wie Feuer: Roman

Titel: Scarlett – Die Liebe hat Augen wie Eis, der Tod hat Augen wie Feuer: Roman
Autoren: Barbara Baraldi
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wer es ist! Fragt mich also erst gar nicht.« In einer komischen pantomimischen Darstellung tut Caterina so, als würde sie sich die Lippen zusammennähen.
    »Oje, jetzt sind ihre Lippen versiegelt. Sie kann nicht mehr reden. Was sollen wir bloß machen, Scarlett?«, witzelt Genziana.
    Ich bin froh, dass sie mich nichts zu dem Thema gefragt haben. Ich habe schweigend zugehört und gehofft, dass sie mir keine direkten Fragen stellen. Offen gesagt macht dieses ganze Gerede über die Liebe mich verlegen, ich habe kaum Erfahrungen auf dem Gebiet. Oder besser gesagt, gar keine. Und das nicht etwa, weil ich keine Gelegenheit dazu gehabt hätte. Mein Problem ist einfach, dass ich viel zu sehr an die Liebe glaube und immer warten wollte, bis ich wirklich verliebt bin, selbst für den ersten Kuss. Bis die Lage ganz vertrackt wurde.
    Mit Matteo hat mich immer ein starkes Gefühl der Zusammengehörigkeit verbunden. In Cremona war er mein bester Freund, mein Vertrauter. Wenn ich mit meiner Mutter gestritten hatte oder wenn ich Oma Evelyn zu sehr vermisst habe und in der Schule alles schiefging, wusste ich, dass ich auf ihn zählen konnte. Ein Wort oder eine Umarmung von ihm genügte, und schon kam alles wieder ins Lot. Ich weiß nicht wie viele alte Schwarz-Weiß-Filme wir uns am Nachmittag auf seinem weißen Sofa, das so weich wie eine Sommerwolke war, reingezogen haben, anstatt zu lernen. Und was haben wir für Diskussionen geführt über den Sinn des Lebens, ohne je zu einem Ende zu gelangen …
    Matteo, Manuela und ich, die unzertrennlichen Freunde. »Forever friends« haben wir uns eines Tages geschworen. Wir haben unsere kleinen Finger ineinander verhakt, um unseren Schwur zu bekräftigen, und dazu aus vollem Hals eine etwas abgewandelte Version dieses wunderschönes Songs gegrölt: »Forever friends, we want to be forever friends …«
    Wer weiß, ob wir trotz allem wirklich Freunde bleiben. Oder ob die Entfernung das Band zwischen uns zerreißen wird und alle Versprechungen sich auflösen wie Tränen im Regen.
    Ich habe diese Szene wieder vor Augen, sie läuft wie in Zeitlupe vor mir ab. Der letzte Schultag, die letzte Stunde beendet vom letzten Klingeln. Die Schule ist aus, und die Sommerferien fangen an! Und ich habe noch keine Ahnung, was mir mein Vater ein paar Stunden später über den Umzug erzählen wird.
    »Ich muss mit dir reden«, hatte Matteo gesagt.
    Wir warteten, bis unsere Mitschüler und ihr fröhliches Stimmengewirr verschwunden waren. Dann war der Physiksaal leer, und wir standen ganz allein zwischen Messgeräten und Reagenzgläsern, den stummen Zeugen von etwas, das ich niemals erwartet hätte.
    »Was hast du mir denn so Wichtiges zu sagen? Hast du dich als freiwilliger Entwicklungshelfer für Afrika gemeldet, oder hast du dich endlich entschieden, per Anhalter durch ganz Europa zu trampen?«, fragte ich. Doch dann erstarb das Lächeln auf meinen Lippen, als ich seinen ernsten, beinahe besorgten Gesichtsausdruck sah.
    »Ich glaube, dass ich mich in dich verliebt habe.«
    Ich stand wie vom Donner gerührt da und brachte kein Wort heraus. Er kam näher und hielt wenige Zentimeter vor meinen Lippen inne. Ich stand immer noch völlig reglos da, vollkommen unfähig zu reden, ja sogar zu atmen. Ja, ich habe tatsächlich die Luft angehalten, bis seine Lippen sich sanft auf meine legten. Ein hingehauchter Kuss, wie eine schüchterne Liebkosung.
    »Denk darüber nach …«, sagte er. Dann verließ er den Raum und ließ mich zwischen Zweifeln und Ungewissheit, zwischen Thermometern und Messgeräten stehen.
    In mir ging alles durcheinander. Matteo war immer mein bester Freund gewesen, fast wie ein großer Bruder, auch wenn er bloß ein paar Monate älter ist als ich. Sein plötzliches Geständnis so kurz vor dem Umzug war wie ein Tiefschlag des Schicksals, und auch heute kann oder will ich meine Gefühle nicht näher analysieren. Deshalb habe ich gar nicht mehr versucht, mit ihm zu reden. Nicht mal am Telefon. Er genauso wenig, vielleicht fühlte er sich zurückgewiesen oder es war ihm peinlich. Es ist also dabei geblieben, bei diesem Moment im Physiksaal, und seitdem herrscht Funkstille. Ich habe Manuela gebeten, ihm zu sagen, dass ich umgezogen bin. Ich weiß, manchmal bin ich einfach feige.
    »Scarlett, bist du da?« Das ist Genziana.
    Ich schüttele die Betäubung ab. »Entschuldigt, ich war … in Gedanken woanders.«
    »Gib’s zu, du hast dich so darüber gefreut, dass du dir nicht mehr Caterinas
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