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Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi

Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi

Titel: Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi
Autoren: Isabel Morf
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Löwenstraße war um diese Zeit noch belebt. Und ich hielt Abstand.«
    »Aber als sie zum Schanzengraben hinunterging, muss sie doch gehört haben, dass ihr jemand nachging, dort sind keine Leute mehr um diese Zeit.«
    »Sie telefonierte«, stieß Freuler zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
    »Verstanden Sie, was sie sagte?«
    »Sie redete laut genug.«
    »Bekamen Sie mit, mit wem sie sprach?«
    Kopfschütteln.
    »Was sagte sie?«
    Pause. Dann, mit sichtlicher Überwindung: »Sie redete über mich.«
    »Was sagte sie?«
    Pause. »Sie machte sich lustig über mich.«
    Streiff konnte förmlich sehen, wie der Zorn wieder in Carlo Freuler hochstieg. »Ja, ich hasste sie. Ich hasse sie alle, diese beschränkte Bande, diese hohlköpfigen Wichtigtuer, dieses eingebildete Pack!«
    »Sie meinen die Politiker?«, fragte Streiff vorsichtig.
    »Sie haben allesamt keine Ahnung von Kultur. Sie streiten sich über Radwege und Steuern und Glasfasernetze, weiter ist ihr Horizont nicht.«
    »Ihrer schon?«
    Freuler warf ihm einen misstrauischen Blick zu. »Ich bin Schriftsteller. Dichter. Und ich bin gezwungen, das Gestammel dieses Scheuklappenclubs zu redigieren. Und dann muss ich mir noch auf der Nase herumtanzen lassen. Mir anhören, ich sei ein neurotischer Loser.«
    »Warum hatten Sie eigentlich ein Messer bei sich?«
    »Ingrid hatte mich gebeten, über Mittag einkaufen zu gehen. Sie gab mir eine Liste mit. Darauf war auch ein Brotmesser.«
    »Und das hatten Sie dann gleich so zur Hand?«
    »Es hatte keinen Platz mehr im Rucksack, es war ziemlich lang. Deshalb trug ich es in einer Plastiktüte in der Hand.«
    »Wie ging es weiter?«
    »Ich ertrug es plötzlich nicht mehr, diese durchdringende Stimme zu hören. Das meckernde Lachen. Ich wollte nie mehr ihre Stimme im Ohr haben und schreiben müssen, was sie sagte. Nie mehr.«
    Nie mehr, dachte er. In diesem Moment hatte er plötzlich nicht mehr nur Leglers Stimme gehört, sondern eine Kakofonie aus den Stimmen des gesamten Kantonsrats, alles redete auf ihn ein; Satzfetzen, scharfkantige Sprachtrümmer, sinnlose Wörterketten hatten sich übereinandergelegt, ein unverständlicher, unbewältigbarer Sprechchor, ohne Dirigent, ohne Rhythmus, lauter und schneller werdend und bedrohlich, hatte ihn umgeben, war immer näher gekommen. Der Schweiß war ihm ausgebrochen, um die Brust wurde es eng, der Chor füllte seinen Kopf und drohte ihn zu sprengen.
    »Ich nahm das Messer hervor und holte sie ein.«
    »Sie wollten sie töten?«
    »Ich wollte sie stoppen. Die Stimme. Das Lachen. Es musste aufhören.«
    »Und, hörte es auf?«
    »Ja.«
    »Hat Frau Legler Sie bemerkt?«
    »Ich glaube, erst im letzten Moment. Sie wollte gerade das Handy einstecken.«
    »Was war dann mit dem Handy? Haben Sie es an sich genommen?«
    »Nein. Ich glaube, es fiel ins Wasser. Irgendetwas fiel ins Wasser.«
    »War Ihnen klar, dass Sie die Frau umgebracht hatten?«
    »Ich weiß es nicht mehr. Ich bin schnell davongegangen. Ich war völlig durcheinander.«
    »Ich weiß«, bemerkte Streiff.
    Freuler schien es nicht zu hören. »Ich bin ziellos durch die Stadt gelaufen. Irgendwann fand ich mich am Bellevue wieder und fuhr nach Hause.«
    »Und das Messer trugen Sie in der Plastiktüte mit sich?«
    »Ich packte es in den Rucksack rein, so weit, wie es ging, noch am Schanzengraben.«
    »Warum haben Sie sich nicht gestellt?«
    »Sollte ich mir von ihr mein Leben kaputtmachen lassen? Zu Hause war mein Kopf wieder klar, ich konnte wieder denken. Ich beschloss, dass das einfach nicht geschehen war. Dass es mich nichts anging.«
    »Das glaube ich Ihnen nicht ganz«, intervenierte Streiff.
    Freuler schaute erstaunt auf.
    »Sie haben das Messer nicht entsorgt«, sagte Streiff. »Sie haben das Messer, dilettantisch genug, in Ihrem Arbeitszimmer versteckt.«
    »Mir wurde erst zu Hause richtig bewusst, dass ich es noch hatte«, sagte Freuler. »Ich wusste, dass ich es wegtun sollte. Aber ich wollte nichts mehr mit diesem Gegenstand zu tun haben. Ich hatte Angst, es in die Hand zu nehmen, mein Haus damit zu verlassen. Ich schob es immer wieder auf.«
    »Dachten Sie vielleicht, Sie könnten es sich leisten, das Beweisstück zu behalten, weil wir Ihnen ohnehin nicht auf die Schliche kommen würden? Sie haben das Gefühl, gescheiter zu sein als die Politiker. Hielten Sie sich auch für intelligenter als die Polizei?«
    Freuler schaute ihn an. »Wie sind Sie denn auf mich gekommen?«, wollte er wissen.
    »Ermittlungsarbeit«,
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