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Salambo

Salambo

Titel: Salambo
Autoren: Gustave Flaubert
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gerührt, und nach und nach sprach er mit dem Griechen.
    Matho war an der Großen Syrte geboren. Sein Vater hatte ihn auf einer Pilgerfahrt zum Ammon-Tempel mitgenommen. Dann hatte er in den Wäldern der Garamanten Elefanten gejagt. Später war er in karthagischen Söldnerdienst gegangen. Bei der Einnahme von Drepanum war er zum Offizier befördert worden. Die Republik schuldete ihm vier Pferde, dreiundzwanzig Medinen Getreide und den Sold für einen Winter. Er war gottesfürchtig und wünschte, einst in seiner Heimat zu sterben.
    Spendius erzählte ihm von seinen Reisen, von den Völkern und Tempeln, die er besucht hatte. Er verstand sich auf viele Dinge. Er konnte Sandalen, Jagdgerät und Netze anfertigen, wilde Tiere zähmen und Gifte bereiten.
    Bisweilen unterbrach er sich und stieß einen heiseren Schrei aus. Daraufhin beschleunigte Mathos Maultier seinen Gang, und die anderen beeilten sich zu folgen. Dann erzählte Spendius weiter, aber immer voll Angst und Furcht. Erst am Abend des vierten Tages wurde er ruhiger.
    Die beiden ritten nebeneinander her, seitwärts rechts vom Heer, auf dem Abhang eines Hügelzuges. Drunten dehnte sich die weite Ebene, in den Nebeln der Nacht verloren. Die Reihen der tiefer dahin marschierenden Soldaten sahen im Dunkeln wie Wellen aus. Von Zeit zu Zeit kamen sie über mondbeglänzte Anhöhen. Dann sprühten Sterne an den Spitzen der Lanzen, und das Mondlicht gleißte auf den Helmen. Ein paar Augenblicke lang, dann verschwand alles, und immer neue Trupps kamen. In der Ferne blökten aufgeschreckte Herden. Es war, als ob unendlicher Friede auf die Erde herabsänke.
    Mit zurück gebogenem Kopf und halb geschlossenen Lidern sog Spendius in tiefen Zügen den frischen Wind ein. Er streckte die Arme aus und spreizte die Finger, um den kosenden Hauch, der seinen Körper umströmte, noch besser zu spüren. Seine Hoffnung auf Rache war wiedergekehrt und begeisterte ihn. Er presste die Hand auf den Mund, um ein Jauchzen zu ersticken, und halb bewusstlos in seinem Glücksrausch, überließ er die Zügel seinem Dromedar, das mit geräumigen gleichmäßigen Schritten vorwärts ging. Matho war in seine Schwermut zurückgesunken. Seine Beine hingen bis zur Erde hinab, und seine Stiefel fegten mit stetem Geräusch das Gras.
    Indessen zog sich der Weg in die Länge, als wolle er kein Ende nehmen. Hatte man ein Stück Ebene durchschritten, so kam man jedes Mal auf ein rundes Hochland, und dann ging es wieder in eine Niederung hinab. Die Berge, die den Horizont zu begrenzen schienen, wichen beim Näherkommen immer von neuem in die Ferne. Von Zeit zu Zeit blinkte ein Bach zwischen dem Grün von Tamarisken, aber schon hinter dem nächsten Hügel verkroch er sich wieder. Hier und da ragte ein Felsblock auf, der wie ein Schiffsbug aussah oder wie der Sockel eines verschwundenen Kolosses.
    In regelmäßigen Abständen traf man auf kleine viereckige Kapellen: Raststätten für die Pilger, die nach Sikka wanderten. Die Libyer, die Einlass begehrten, klopften mit starken Schlägen an die Pforten; doch niemand im Innern antwortete.
    Dann wurden die bebauten Felder seltener. Unvermittelt folgten Sandstrecken, mit Dornengestrüpp bewachsen. Schafherden weideten zwischen großen Steinen. Eine Frau – ein blaues Schurzfell um die Hüften – hütete sie. Sobald sie die Lanzen der Soldaten zwischen den Felsen erblickte, floh sie kreischend.
    Der Marsch ging durch ein breites Tal, das von zwei rötlichen Hügelketten eingesäumt wurde. Ein ekelhafter Geruch drang dem Heere entgegen, und an der Krone eines Johannisbrotbaumes hing etwas Seltsames: ein Löwenkopf, der über den Wipfel hinausragte.
    Sie liefen näher. Es war ein Löwe, den man an allen vieren wie einen Verbrecher ans Kreuz genagelt hatte. Der riesige Kopf hing auf die Brust herab, und die zwei Vordertatzen, die unter der üppigen Mähne zur Hälfte verschwanden, waren weit auseinander gespreizt wie die Flügel eines Vogels. Die Rippen traten unter der stark gespannten Haut einzeln hervor. Die Hinterbeine waren übereinander genagelt und ein wenig emporgezogen. Schwarzes Blut war am Fell herab gesickert und am Ende des Schweifes, der senkrecht herabhing, zu dicken Klumpen geronnen. Die Söldner standen lachend rundherum, nannten den toten Löwen „Konsul“ und „Römischer Bürger“ und warfen Steine nach seinen Augen, um die Fliegen aufzuscheuchen.
    Hundert Schritte weiter kamen zwei andere Kreuze. Und mit einem Male tauchte eine ganze Reihe auf.
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