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Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Saemtliche Werke von Karl May - Band 01

Titel: Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
Autoren: Karl May
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darfst du nicht verlangen, daß ich die wenigen Leute verlasse, welche bei mir sind.«
    Tokvi-Kava mußte einsehen, daß der Weiße recht hatte; er war überdies vollständig überzeugt, daß die Weißen sich ganz in seiner Gewalt befanden und ihm nicht das geringste anhaben konnten; darum antwortete er:
    »Wie darfst du es wagen, an meinem Mute zu zweifeln! Ich werde dir beweisen, daß ich euch als Hunde betrachte, welche nicht beißen können, weil ihnen die Mäuler zugebunden sind. Aber die Bleichgesichter haben doppelte Zungen, und in ihren Herzen wohnt der Verrat; sie werden sich meiner Person bemächtigen wollen, wenn ich zu ihnen komme.«
    »Nein. Bei uns ist der Unterhändler stets unantastbar. Du wirst also bei uns ganz ebenso sicher sein, wie in der Mitte deiner Krieger.«
    »Ich kann also zurückkehren, sobald es mir beliebt?«
    »Ja.«
    »Auch wenn ich nicht mit dir einig werde?«
    »Auch dann.«
    »Ihr werdet mich nicht festzuhalten suchen?«
    »Nein.«
    »Spricht du die Wahrheit?«
    »Ja. Ich versichere dir, daß ich keine Hintergedanken habe.«
    »Wir glauben an den großen Geist, den ihr Gott nennt; was ihr bei ihm schwört, müßt ihr halten. Versprich mir also bei eurem Gott, daß ihr, wenn ich gehen will, mich nicht anrühren werdet!«
    »Ich schwöre und verspreche es dir.«
    »So werde ich kommen.«
    Es dauerte eine kleine Weile, bis das brennende Holz ein wenig beiseite geschoben wurde, so daß zwischen der Flamme und dem Felsen eine Lücke entstand, welche der Häuptling durchsprang. Dann kam er hoch erhobenen Hauptes und stolzen Schrittes zu den Weißen, deren Anführer gegenüber er sich niedersetzte. Majestät wußte, daß nach der Ansicht der Indianer der Sieger das Gespräch zu beginnen habe; darum schwieg er und wartete, bis der Mustang nach längerer Zeit die Verhandlung durch die Frage einleitete:
    »Die Bleichgesichter haben eingesehen, daß es von ihnen Wahnsinn wäre, sich gegen uns zu wehren?«
    »Nein,« antwortete der Weiße. »Das haben wir noch nicht eingesehen.«
    »So seid ihr alle ohne Hirn geboren worden! Kein Mensch kann diese Felsen erklettern, und kein Pferd oder Reiter wird durch die Glut des Feuers kommen. Von da oben sehen zweihundert Augen herab, und hundert Gewehre sind bereit, euch in kurzer Zeit zu vernichten, welche ihr Bleichgesichter eine Minute nennt.«
    » Pshaw! Diese Gewehre fürchten wir nicht. Es gibt hier im Estrecho überhängende Stellen genug, welche uns Schutz vor euern Kugeln bieten.«
    »Wie lange wird dieser Schutz währen!« meinte der Mustang verächtlich. »Es ist gar nicht nötig, daß wir Kugeln an euch verschwenden. Wir haben draußen Wasser und Wild, so viel wir wollen, ihr aber nicht; wir brauchen also nur zu warten, bis ihr vom Hunger und vom Durste hinausgetrieben werdet.«
    »Das kann lange dauern!«
    »Uff! Je länger es dauert, desto mehr wird unsre Nachsicht schwinden, die wir jetzt noch mit euch haben wollen. Dann dürft ihr auf kein Erbarmen rechnen. Wenn ihr euch aber jetzt ergebt, werdet ihr erfahren, daß noch Gnade in unsern Herzen lebt.«
    »Gnade? Was haben wir verbrochen, daß du von Gnade sprichst? Beweise einem meiner Leute eine einzige, wenn auch noch so kleine That, die er gegen euch begangen hat; dann will ich zugeben, daß du von Gnade reden darfst!«
    » Pshaw! Tokvi-Kava, der berühmte Häuptling der Komantschen, hat nichts zu beweisen. Wir haben das Beil des Krieges gegen alle Bleichgesichter ausgegraben und müßten also eigentlich alle, die in unsre Hände fallen, am Marterpfahle sterben lassen. Es ist also ein großes Erbarmen von uns, wenn wir euer Leben nicht verlangen, sondern es euch schenken wollen. Dieses Erbarmen währt aber nur ganz kurze Zeit; es wird verschwunden sein, wenn ich von hier weggegangen und zu meinen Kriegern zurückgekehrt bin. Entschließe dich also schnell! Die Söhne der Komantschen wünschen euer Blut; jetzt werden sie mir gehorchen; sobald sie aber hören, daß meine gütige Rede nicht in eure Ohren gedrungen ist, kann ich sie nicht länger abhalten, euch die Skalpe zu nehmen!«
    Er sagte das in so bestimmtem Tone, daß seine Worte die beabsichtigte Wirkung nicht verfehlten. Majestät sprach, um sich zu vergewissern, die Frage aus:
    »Du verlangst also, daß wir uns euch ergeben, und versprichst, falls wir dies thun, unser Leben zu schonen. Hoffentlich ist mit dem Leben auch unsre Freiheit gemeint?«
    »Wir schenken euch das Leben, und ihr könnt gehen, wohin ihr wollt,« versprach der
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