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Runlandsaga - Die Schicksalsfestung

Runlandsaga - Die Schicksalsfestung

Titel: Runlandsaga - Die Schicksalsfestung
Autoren: Robin Gates
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jenseits von Runland auf dem Sprung. Die Körper wuchtiger Maugrimkäfer reihen sich dicht an dicht. Dazwischen türmen sich die rauchartigen Säulen der Dron’marr, die darauf drängen, ihr Gedankengift zu verströmen, und über dem Heer schweben dunkle Wolken voller Clar’catt. Die Zahl der Krieger ist so unermesslich, dass Neria kein Ende ihrer Schar erkennen kann. Sie füllen ihr gesamtes Blickfeld aus. Wachsam und gespannt blitzen ihre netzförmigen Augen, warten darauf, den Befehl zum Losstürmen zu erhalten, der jeden Augenblick über ihre Reihen hinweg erschallen wird.
    Melar, der Jäger, steht an der Spitze des Heeres. Sein Arm hält den mächtigen Speer bereit zum Stoß. Die harten Muskeln unter seiner Haut brennen darauf, das Zeichen zum Losstürmen zu erkennen. So lange schon hat er nicht mehr selbst in eine Schlacht eingegriffen, aber nun drängt es ihn dazu, die Entscheidung herbeizuführen. Manari hat gute Arbeit geleistet. Heute wird die Rasse der Temari vernichtet werden. Die Herren der Ordnung werden endgültig dafür sorgen, dass ihre verbannten Brüder und Schwestern nie wieder zurückkommen können.
    Nerias Blick findet den verblassenden Drachen. Alle Fäden, denen sie nachjagt, schießen auf ihn zu, ein leuchtender Strang, lauter und lauter singend. Mit der Schnelligkeit eines abgeschossenen Pfeils dringt sie in seinen Geist ein.
    Er war der Älteste und Mächtigste der Vier, erschaffen von Oláran selbst, zum Schutz der jungen Welt und der Rasse der Temari, der Inbegriff von Beständigkeit und Entschlossenheit, das Rückgrat der Barriere, die keinen Serephin nach Runland ließ. Er hat sich beinahe völlig aufgelöst, ist nur noch ein schwacher Widerhall, der bald verklungen sein wird. Aber noch immer ist etwas in ihm vorhanden, das Neria zu Tränen rührt. Sie spürt seine bedingungslose Liebe für dieses Land, für die schroffen, felszerklüfteten Küsten und Hochebenen des Nordens, die dichten Wälder der Voron und der Elfen, für die schneeüberzogenen, hoch in den Himmel ragenden Meran Ewlen, die das Land der Länge nach spalten, für die Steppen, die satten Wiesen und Hügel des sonnenbeschienenen Südens, für alles Leben auf dieser Welt, wo auch immer es sich aufhalten mag, und in welcher Form es sich zeigt.
    Diese Liebe umfängt Neria so schier unerträglich heiß und brennend wie das glühende Innere der Sonne. Nichts kann sich in ihrem Licht aufhalten und so bleiben wie es einmal war. Mit einem Mal versteht sie, was ihr Schicksal ist, was immer ihr Schicksal war, von dem Moment an, als Talháras ihr erschien und sie von ihrem Volk fortschickte. Sie muss den Platz des Wächters einnehmen – jetzt, bevor der schwindende Schutzwall endgültig fort ist und das Heer der Maugrim Runland in Trümmer stürzt. Sie kann es vollbringen, denn sie sitzt auf dem Thron von Carn Wyryn. Es ist ihr Faden, den sie webt. Wenn sie es will.
    Aber will sie es?
    Wenn sie es tut, wird sie nie wieder zu den Voron zurückkehren können. Für ihr Volk wird sie fort sein, ebenso wie für Enris. Sie wird ihn nicht mehr in ihren Armen halten können. Das alles ist dann für immer vorbei.
    Eine Stimme antwortet in ihr, die von Talháras sein könnte, oder ihre eigene. In der Mitte des Schicksalsnetzes, auf dem schwarzen Thron von Cyrandith, ist es kaum auseinanderzuhalten und spielt keine Rolle.
    Wenn du als Wächter weiterlebst, wirst du für sie alle da sein, bis zu ihren letzten Atemzügen. Das ist es, was es ausmacht, mehr zu sein als du selbst, so wie der Weiße Wolf mehr ist als nur ein toter Vorfahre deines Stammes.
    Aber wenn ich niemals sterbe, solange Runland besteht, dann werde ich auch nie den Ewigen Wald sehen, vernimmt sie die Stimme ihrer Angst.
    Du selbst wirst der Ewige Wald sein. Und noch viel mehr als das. Entscheide dich jetzt, bevor es zu spät ist.
    Und Neria trifft ihre Entscheidung. Sie spricht ein einziges Wort. Dieses Wort dehnt sich aus wie eine sich öffnende Blüte. Es ist die Antwort auf jede zweifelnde Frage, es ist die Gewissheit, dass am Ende jeder noch so bedrückenden Nacht ein neuer Morgen heraufdämmert, es ist die Bestätigung, dass Hoffnung mehr sein kann als ein quälendes Trugbild.
    Neria fühlt, wie sich ihr Verstand ausdehnt. Immer mehr Eindrücke werden von seinem Sog erfasst und vergrößern ihn noch weiter, aber diesmal überfordern sie ihn nicht. Gleichzeitig schießen die singenden Fäden um ihren Körper herum wie gleißende Blitze, weben ihr Schicksal und
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