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Ruf der Wildnis

Ruf der Wildnis

Titel: Ruf der Wildnis
Autoren: Jack London
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übrigen. Als Buck ihnen nachsetzen wollte, bemerkte er, wie Spitz von der Seite her auf ihn zusprang, um ihn niederzustoßen. Strauchelte Buck und kam er unter die Masse der Wolfshunde zu liegen, dann war er verloren. Aber es gelang ihm, den Stoß abzuwehren, und er stürmte den anderen nach, auf den See hinaus.
    Später sammelten sich die neun Hunde des Gespanns und suchten Schutz im Wald. Obwohl sie nicht verfolgt wurden, befanden sie sich in einer traurigen Lage; es gab keinen, der nicht an vier oder fünf Stellen blutete, manche hatten sogar schwere Verletzungen erlitten. Dub hatte ein zerfetztes Hinterbein. Dolly, die jüngste des Gespanns, hatte eine schlimm aufgerissene Kehle, und Joe war einäugig geworden. Billie, der gutmütige, schrie und wimmerte mit seinem zerbissenen Ohr die ganze Nacht hindurch.
    Bei Tagesanbruch schlichen sie in ihr Lager zurück. Die Plünderer waren fort, aber die Männer in einer sehr schlechten Laune, denn die Huskies hatten nicht nur fast die gesamten Vorräte vertilgt, sondern sogar ein Paar von Perraults Elchhaut-Mokassins hinuntergewürgt.
    Mehr noch: Die Schlittenriemen waren angefressen, und François’ Peitsche war durchgebissen. Als dieser die erbärmlich zugerichteten Hunde erblickte, fing er zu klagen an:
    »Ah, ihr braven Burschen«, sagte er weich, »wer weiß, ob diese verdammten Biester nicht toll waren. Und ihr alle werdet dann auch toll. Sacredam! Was glaubst du, eh, Perrault?«
    Der Kurier schüttelte verstimmt seinen Kopf. Noch vierhundert Meilen waren es bis Dawson, und er konnte sich keine größere Katastrophe vorstellen als tollwütige Hunde im Gespann. Nach zwei Stunden Fluchen und harter Arbeit war das Geschirr wieder in Ordnung, und die Hunde zogen mühselig los. Es war der gefährlichste Teil der Fahrt nach Dawson. Der Dreißigmeilenfluß war auf weite Strecken offen. Seine wilde Strömung verhinderte das Zufrieren, und nur an einigen Stellen hatte sich Eis ansetzen können. Sechs Tage furchtbarer Plackerei bedurfte es, jene schrecklichen dreißig Meilen zurückzulegen. Jeder unbedachte Schritt konnte Hunden und Menschen das Leben kosten. Wohl ein dutzendmal brach Perrault beim Aufspüren des Weges durch die dünne Eisschicht und rettete sich vor dem Versinken nur mit Hilfe einer langen Stange, die er geschickt quer über die Einbruchstelle hielt. Zu allem Unglück waren sie gerade mitten in eine Kältewelle geraten – das Thermometer zeigte fünfzig Grad Fahrenheit unter Null – und jedesmal wenn er einbrach, mußte ein Feuer angemacht werden. Es hätte ihm das Leben gekostet, wenn er seinen vor Kälte erstarrten Körper nicht erwärmt und die steifgefrorenen Kleider nicht wieder aufgetaut hätte. Perrault hatte vor nichts Angst, er war geschickt und mutig, und diese Eigenschaften befähigten ihn, seinen wichtigen und gefahrvollen Beruf auszuüben. Er nahm jedes Risiko auf sich, streckte entschlossen sein verwittertes dürres Gesicht der schneidenden Kälte entgegen und kämpfte unermüdlich vom fahlen Morgengrauen bis in die dunkle Nacht hinein. Sie führten ihren Schlitten hart am Rand des Ufers, das Eis schwankte und krachte verdächtig, und sie wagten nicht anzuhalten, um nicht einzubrechen. Aber einmal geschah es doch, und als man Buck und Dave halb erfroren herauszog, mußte sofort ein Feuer angezündet werden. Eine feste Eisschicht bedeckte die beiden Hunde, und die zwei Männer jagten sie so lange um das Feuer herum, bis das Eis auftaute und sie wieder trocken waren. Sie versengten sich dabei ihr Fell, aber blieben am Leben.
    Etwas später versank Spitz und riß die anderen Hunde nach bis auf Buck, der sich mit seinen Vorderpfoten aus Leibeskräften nach rückwärts stemmte. Das Eis ringsum zitterte und krachte und brach berstend. Aber hinter Buck hielt Dave stand und am Schlittenende zog François und brach sich fast die Knöchel. Aber er konnte das Gespann halten.
    Ein anderes Mal zerbrach das Eis vor und hinter ihnen. Es war ein Wunder, daß es Perrault gelang, sich auf einen Felsen zu retten. Peitschen und Riemen wurden aneinandergeknotet und Perrault zog die Hunde und den Schlitten einzeln zum Kamm der Klippe empor. Als letzter folgte François. Der Abstieg gestaltete sich fast noch schlimmer, und die Nacht war schon hereingebrochen, als sie wieder an einer sicheren Stelle des Flusses landeten. An diesem Tag hatten sie nur eine Viertelmeile zurückgelegt.
    Als sie endlich zum Hootalinqua kamen, der eine sichere Eisdecke hatte, war Buck
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