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Rütlischwur

Rütlischwur

Titel: Rütlischwur
Autoren: Michael Theurillat
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zum guten Ton, wenn man ein oder zwei solcher Leute hatte. Jemand, der die Geschäfte eines Unternehmens aus übergeordneter Warte auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft. Heute braucht es dazu Heerscharen. Bei uns ist es mittlerweile eine richtige Abteilung. Und das wird verlangt, verstehst du? Es ist unabdingbar. Ein sine qua non . Es gibt kaum einen Berufszweig, der weltweit ein solches Wachstum hingelegt hat. Schau dir Amerika an. Einst eine freie, starke Nation, bis man merkte, dass der einzige natürliche Feind, den dieses Land hat, die eigenen Anwälte sind. Es waren die Law Firms , die hinter der vorgehaltenen Maske der alten Werte wie Korrekt- oder Rechtschaffenheit den Boden bereiteten für eine ganze Feigenblatt-Industrie: Compliance! Bullshit! «
    Eschenbach schüttelte sich innerlich. Gestohlene Bankdaten waren in einem Geschäft, das von Verschwiegenheit lebte, wirklich eine Katastrophe. Aber Banz verfügte über diesen Instinkt, der Eschenbach bei vielen Mächtigen aufgefallen war. Es ging darum, die eigenen Missstände herunterzuspielen, sie wegzureden, so wie man Brotkrümel vom Tisch fegte, bevor man neu aufdeckte. Und dies geschah immer auf die gleiche Weise, indem man die Schuld anderen zuschob und damit vom eigentlichen Problem ablenkte. Ein modernes Prozedere der Reinwaschung, das sich in der westlichen Welt verbreitet hatte wie einst die Pest.
    Die Schuld, lieber Brutus, liegt nicht in den Sternen, dachte der Kommissar. Sie liegt in uns selbst. Aber in einem Punkt stimmte er Banz zu. Die Compliance- Industrie hatte das Vertrauen ins Finanzsystem nicht nachhaltig verbessert. Im Gegenteil. Die beständig wachsenden internen wie externen Kontrollen der Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme hatten dazu geführt, dass die Menschen einander immer weniger trauten und am Ende nicht einmal mehr sich selbst.
    Er würde Banz einen Korb geben, egal, wie viel Geld ihm der Bankier bot.
    Es war ein langer Abend geworden im Garten des Pan Pacific.
    Zu Eschenbachs Erstaunen war Banz nicht sonderlich enttäuscht gewesen, als er ihm eine Absage erteilt hatte. »Ich ver­stehe das sehr gut«, hatte er gemeint. Schließlich hätte er ihn in seinen Ferien geradezu überrumpelt.
    »Vielleicht solltest du dir überlegen hierzubleiben. Es gibt kaum ein Land, das mehr Platz bietet. Kanada ist das zweitgrößte Land auf diesem Planeten – und es hat nur halb so viel Einwohner wie Deutschland. Du brauchst diese Weite, mein Lieber. Das habe ich schon damals gewusst. Deshalb habe ich auch nie verstanden, weshalb du dich den Zwängen des Staatsapparats untergeordnet hast. Und jetzt bekommst du ausgerechnet Max Hösli zum Chef. Prost, Maxe!«
    »Die Stelle ist ausgeschrieben.« Eschenbach räusperte sich. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Kantonsrat bereits entschieden hat.«
    »Vermutlich schon«, sagte Banz und machte ein Gesicht wie ein Totengräber. »Regierungsrätin Sacher ist bei uns im Rotary Club. Letzte Woche habe ich sie darauf angesprochen. Tut mir leid, wenn du es auf dem Latrinenweg erfahren musst.«
    Als der Wind auffrischte, ließ der Bankier zwei Wärmestrahler bringen, die wie mannshohe Aluminiumpilze aussahen und mit hochroten Köpfen in die Nacht hinaus glotzten.
    Eschenbach verfolgte unkonzentriert, wie Banz einen Monolog an den anderen reihte, während seine Gedanken um Max Hösli kreisten. Bestimmt war er der Grund, weshalb Regierungsrätin Sacher ihn sprechen wollte. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass man ihn nicht mindestens anhörte, bevor man den Posten besetzte. Den Posten, den Sacher zuerst ihm angeboten hatte.
    Aber weiter darüber zu brüten hatte keinen Sinn. Er würde es spätestens am Montag erfahren. Sein Blick streifte Corina, die ihm mit Handzeichen und Blicken zu verstehen gab, dass sie hundemüde sei und nun endlich gehen wolle.
    Nur: Banz war kaum zu bremsen. Und was er erzählte, war auch nicht uninteressant. Die Welt stand in Flammen. Wirtschaftlich wie politisch lagen schwierige Jahre vor ihnen: Länder wie Griechenland, Spanien, Italien standen kurz vor dem Staatsban­krott. Japan war bereits pleite, und die Vereinigten Staaten von Amerika befanden sich auf dem direkten Weg ins Armenhaus.
    »Wusstest du, dass jeder fünfte Amerikaner Essensgutscheine vom Staat bekommt?« Der Bankier pfiff leise durch die Zähne. »Über vierzig Millionen Menschen, die sich nicht mehr selbst ernähren können!«
    Banz war ein kultivierter und vielgereister Mann. Und
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