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Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)

Titel: Rühr nicht an mein dunkles Herz (German Edition)
Autoren: Meredith Duran
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dreiste Lügen darüber erzählte, wie er seinen Tag verbracht hatte. Er hatte die Befragung, die er über sich hatte ergehen lassen müssen, mit keiner Silbe erwähnt, und als er von den Skandalen des Khedive und seiner dicken Freundschaft mit seinen Kollegen in Kairo erzählte, war ihm nicht die geringste Scham anzumerken.
    James behauptete zwar, dass sie mit der Zeit lernen würde, ihn zu lieben, auch wenn sie keinen Respekt mehr für ihn empfände. Doch sie bezweifelte, dass sie sich je dazu durchringen könnte, wenn er weiterhin ein solches Verhalten an den Tag legte.
    Das Gespräch wandte sich der Hochzeitsreise zu. Mr Pagett hatte Griechenland und Italien vorgeschlagen, und Ana war keineswegs abgeneigt. »Und danach«, fügte sie lachend hinzu, »werde ich von dem Klima so verwöhnt sein, dass ich mich weigern werde, ins trübe alte England zurückzukehren.«
    »Nein, ganz bestimmt nicht«, schmunzelte Mr Pagett und legte seine Hand auf ihre. »Denn deine Schwester wird auf deine Rückkehr warten.« Er sah Lydia an. »Sie werden doch bei uns wohnen, Miss Boyce? Es wäre egoistisch von Lady Southerton, Sie ganz für sich zu beanspruchen.«
    Ana lächelte und legte ihre freie Hand auf seine. »Wir hatten doch eine Vereinbarung«, erinnerte sie Lydia. »Ich halte mich daran, und du darfst sie auch nicht brechen.«
    Anas Lächeln war unwiderstehlich. Selbst jetzt konnte sie ihm nicht misstrauen. In seinem Strahlen begann das Eis in Lydia zu schmelzen – nur ein wenig, gerade genug, um ihre Seele an eine Andeutung von Wärme zu erinnern. »Wir werden sehen«, sagte sie leise. »Aber ich danke euch.«
    »Ich habe da auch noch ein Wörtchen mitzureden«, protestierte Sophie. »Warum weiß ich nichts von dieser Vereinbarung? Und wenn ich nun« – sie hielt kurz inne, als der Butler den Raum betrat und sich herabbeugte, um George etwas ins Ohr zu flüstern – »und wenn ich nun nicht gerne auf die Gesellschaft meiner Schwester verzichten möchte?«
    George blickte auf. »Lydia«, sagte er. »Du hast Besuch.«
    »Zu dieser Stunde?« Sophie runzelte die Stirn. »Wie eigenartig. Sag ihm, dass wir jetzt niemanden empfangen.«
    George zögerte. »Nun, das würde ich ja, aber es ist Lord Moreland.«
    »Moreland? Was um alles in der Welt … ?«
    Die Angst, die sie erfüllte, hatte eine nie gekannte Dimension. War James etwas zugestoßen? Sie sprang auf. »Entschuldigt mich«, sagte sie und rannte hinaus.
    Im Eingang zum Salon blieb sie wie angewurzelt stehen. »Mylord«, sagte sie. »Ich … geht es ihm gut?«
    Der Earl lächelte grimmig, als er sich ihr zuwandte. »Ihre Überraschung steht meiner in nichts nach«, sagte er trocken. »Hätte mir noch vor zehn Tagen jemand gesagt, dass ich für James den Gesandten spielen würde, hätte ich ihn als Gottes größten Narren beschimpft und ihn hochkant aus dem Haus geworfen.«
    Gesandter . Das klang nicht so unheilvoll, wie sie befürchtet hatte. Verdutzt trat sie ein. Doch die anderen Stühle waren leer. »Er ist nicht mit Ihnen gekommen?«, fragte sie zögernd.
    Moreland schnaubte verächtlich. »Das wäre wohl sinnvoll gewesen. Aber nein, natürlich ist er nicht mitgekommen. Er hat mich angewiesen, in seinem Namen mit Ihnen zu sprechen. Ich habe vernommen, dass er sich bisher weder an Ihren Vater noch an Lord Southerton gewendet hat, deshalb gebe ich zu, dass ich sein Anliegen ziemlich närrisch finde. Wenn es Ihnen Unbehagen bereitet, werde ich es nur allzu gerne ignorieren.«
    Närrisch konnte man es auch nennen. Sie konnte es kaum glauben. Er hatte seinen Vater geschickt? James hatte Moreland geschickt?
    Und dann fegte die Erkenntnis durch sie hindurch, so rasant und bedeutungsschwer, dass sie nur mit Mühe den Überblick über ihre Gefühle behielt. Verblüffung, Ungläubigkeit, das Aufkeimen echter Hoffnung – der erste unverfälschte Augenblick der Hoffnung in einer unendlich langen Zeit. Sie brauchte eine Weile, bis sie ihre Stimme wiedererlangt hatte. Ihr war warm und schummrig zumute, als hätte sie eine Gallone Gin getrunken. »Nein«, sagte sie, und ihre Stimme brach schon bei der einen Silbe. »Der Viscount versteht mich sehr gut.«
    »Seien Sie sich da nicht so sicher«, gab Moreland gereizt zurück. »Er hatte noch eine weitere absonderliche Bitte an mich.« Er griff in seine Jacke und entnahm ein Bündel Papiere, das er ihr mit leicht zitternder Hand hinhielt.
    Ihre eigenen Hände waren gleichermaßen unsicher. Sie nahm die Papiere entgegen, und auf sein
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